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Donnerstag, 31. Dezember 2009

Gloriose Filme und herbe Enttäuschungen 2009

Was waren die Goldstücke?

Platz 1
"(500) days of summer" von Marc Webb ist auf den ersten Blick einmal mehr ein Aufguß des niemals sterbenden Boy-meets-Girl-Filmstoffes, andererseits so reizend und liebevoll umgesetzt wie selten. Die nüchterne Darstellung von Zooey Deschanel korreliert ideal mit der Figur von Summer, aber der eigentliche Star des Ensembles ist Joseph Gordon-Levitt als Tom, der so grandios leidet, das man ergriffen mit ihm fühlt. Und dann trägt er auch noch mein Lieblings-T-Shirt mit The Clashs "London Calling"-Cover. Wunderbar! Der Soundtrack mit The Smiths, Regina Spektor und The Clash ist eh zum Verlieben. Der Film schafft es tatsächlich, den Schmerz, die Freude und die Verzweiflung, die Liebe auslöst, so zu zeigen wie selten in den letzten Kinojahren.
Allein für einen Dialog wie diesen muss man den Film einfach gern haben:

Summer: We've been like Sid and Nancy for months now.
Tom: Summer, Sid stabbed Nancy, seven times with a kitchen knife, I mean we have some disagreements but I hardly think I'm Sid Vicious.
Summer: No I'm Sid.
Tom: Oh, so I'm Nancy...
[Pancakes arrive]
Summer: Let's just eat and we'll talk about it later. Mmm, that is good, I'm really glad we did this. I love these pancakes... what?
[Tom gets up and walks away from the table]
Summer: Tom, don't go! You're still my best friend!


Platz 2
"Alle anderen" von Maren Ade zeigte die Coolness des deutschen Kinos. Bereits mit ihrem Debütfilm "Der Wald vor lauter Bäumen" bewies sie großes Regietalent. Im aktuellen Film ging sie noch professioneller zur Sache. Ades Dialoge sind von umwerfend schlichter Prägnanz, ihre Hauptdarsteller lebensnah, verletzlich, überdreht und herrlich eigensinnig. Mehr von dieser Regisseurin in den nächsten Jahren, die hoffentlich ihrer behutsamen Erzählweise treu bleibt.

Platz 3
"Antichrist" war insgesamt betrachtet eine Zumutung. Und was für eine, halleluja. Szenen mittelalterlich anmutender Foltermethoden werden an traumschöne Sequenzen gereiht. Lars von Trier liefert darin die schönste Eröffnungsszene des Jahres ab. Selten untermalte Händel eine Filmszene besser. Eigentlich unnötig der Hinweis, das nur ein depressiver Charakter einen solchen Film machen kann.

Platz 4
Eigentlich bin ich kein Clint Eastwood-Fan, verneige mich aber trotzdem vor seinem Film "Changeling", der Angelina Jolie (bekam eine Oscar-Nominierung für ihre Rolle der Christine Colins, deren Sohn entführt wird) und John Malkovich glänzen ließ.

Platz 5
"He's just not that into you" ist pures Spaß-Kino. Ohne Jennifer Aniston, Scarlett Johansson, Drew Barrymore und Justin Long wäre der Film von Ken Kwapis wahrscheinlich komplett missraten. Einen Film mit derselben Portion Selbstironie würde ich mir aber trotzdem mal aus Deutschland wünschen.

Platz 6
Von Christian Petzolds Jerichow hatte ich mir viel erwartet und wurde keine Sekunde enttäuscht. Einer der besten deutschen Regisseure.


Platz 7
Lourdes ist der dritte Spielfilm der österreichischen Regisseurin Jessica Hausner und ihr bedächtigstes Werk. Die philosophischen Fragen, die der Film aufwirft, beschäftigen einen noch lange. Sylvie Testud spielt die Hauptrolle grandios.


Wofür hätte man sich den Eintritt 2009 sparen können?

Platz 1

Es hatte schon seinen Grund, warum 87 Jahre lang niemand auf die Idee kam, die Geschichte des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald, die den Held rückwärts altern lässt, zu verfilmen. 2008 wagte sich dann doch David Fincher an The curious case of Benjamin Button. Die erste Stunde des Films ist einschläfernd wie ein Nachmittag im Altenheim. Unklar bleibt die Flucht Benjamins (Brad Pitt) aus New Orleans, die mit seiner Angst vor seiner drohenden Verjüngung und den daraus resultierenden Unmöglichkeit, die Liebe zu Daisy (Cate Blanchett) weiter zu leben, für meine Begriffe unzureichend erklärt wird. Ein Juwel der Kinogeschichte? Allenfalls eine Meisterleistung der Maskenbildner.

Platz 2
Ein verwirrender Plot machen Tom Tykwers ersten Blockbuster The International zu einer unbedeutenden Fußnote seines Filmschaffens.

Platz 3
Der einzige Darsteller in Inglourious basterds, der nuancierte Schauspielkunst in dieser Nazi-Posse bot, war Christoph Waltz - ihm zuzusehen ist eine wahre Freude. Ansonsten hat sich Tarantino von starken Charakteren wie John Travolta, Uma Thurman, Samuel L. Jackon und Bruce Willis in Pulp Fiction allerdings Lichtjahre entfernt. Der Film leidet an der oberflächlichen Charakterisierung seines Personals und ist ästhetisch belanglos. Positiv sind dagegen die wie immer bei Tarantino detailliert und auf den Punkt gebrachten Dialoge.
Fazit: ein schwacher Auteur spielt perfekt mit allen ihm zur Verfügung stehenden Genre-Elementen von Western über Komödie bis Kriegsfilm und beweist große Kreativität bei der Wahl seiner Mordwerzeuge. Tarantino hat sein Pulver verschossen und das schon seit geraumer Zeit.

Platz 4
Ich bin kein Fan der Komödien von Ethan und Joel Coen, obwohl sie ja den Humor der Indie-Kino-Fangemeinde seit Fargo treffen. Thriller (Country for old men) können sie viel besser. Burn after reading hat mich enttäuscht. Ein missraten-plattes Lustspiel: man lässt sich im Kinosaal berieseln, denkt "Könnte schlimmer sein" und trinkt dazu am besten ein paar Bier.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Die große Frustation. Wider den Einschlaf-Journalismus. Eine Polemik.

Es ist mal wieder Zeit, dem Journalismus die Leviten zu lesen. Das Modell der Zeitung als Potpourri von Berichten, die scheinbar zusammenhanglos nebeneinander stehen und allenfalls einen minimalen Ausschnitt der Realität zeigen, ist dysfunktional, denn die Fragmentierung und Zersplitterung des Publikum ist in vollem Gange und wird 2010 rasant fortschreiten. Das Internet-Manifest - Wie Journalismus heute funktioniert ist zwar schon ein paar Monate halt, trotzdem sollte es sich jeder halbwegs seriöse Journalist 2010 hinter die Löffel schreiben.
Regionalzeitungen jenseits von Spiegel, Süddeutscher Zeitung und Zeit gleichen heute reinen Seitenbefüllungsunternehmen, die einen Großteil ihres Inhalts mit dpa-Meldungen abdecken. Rationaler wäre es, wenn dpa täglich einen Mantelteil von acht Seiten produzieren würde und damit alle Regionalzeitungen beliefern würde.

Das Abklappern von Terminen ist der Tod des kreativen publizistischen Geistes. Veröffentlichung von Texten statt Journalismus. Das System krankt am Mangel an Passion, Witz und Verve. Langweile regiert. Eigene Recherche, eine persönliche Haltung des Autors und individuelle Erzählstücke - all das passiert nicht mehr in den Zeitungen mit mittelgroßer Auflage, sondern in der überregionalen Presse, in Zeitschriften und Blogs. In den Feuilletons der Regionalzeitungen werden Berichte lieblos durcheinandergeschmissen und gemutmaßt, dass den durchschnittlich 60-jährigen Leser der Tod von Michael Jackson interessiert oder das Metal-Konzert in der städtischen Mehrzweckhalle. Wäre hier nicht eine thematische Trennung zwischen Print und Online vonnöten: Print als Angebot für den Leser ab 40 Leser und Jugendthemen generell ins Online-Angebot packen?
Im Jahr 2009 ist das Anzeigenaufkommen der Zeitungen um 15 Prozent gesunken. Für 2010 hofft der Bund Deutscher Zeitungsverleger auf eine Stablisierung auf niedrigem Niveau. Im Klartext: schlimmer geht es nicht. Da bei vielen Zeitungen ein geringeres Anzeigenvolumen weniger Seiten bedeutet, werden die Zeitungen dünner. Für den Leser ärgerlich, schließlich bekommt er weniger Zeitung für dasselbe Geld. Ein Auweg aus dem Dilemma: mehr Texte im Online-Angebot präsentieren. Denn schließlich sind Redakteure Textprodukteure - und ob sie für Print oder Online schreiben, sollte ihnen letztlich schnurz sein.
Das Internet-Manifest als theoretische Charta muss erst noch mit Leben erfüllt werden. Na dann: Es gibt viel zu tun.

Die Medien ... haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln - das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.



Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.


Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.


Ist das denn so schwer begreifbar, verdammt noch mal?

Samstag, 19. Dezember 2009

Gratulieren in der Facebook-Ära

Inzwischen verfügt man ja über eine breite Palette an Optionen, um einem Freund, Bekannten oder Verwandten zum Geburtstag zu gratulieren. Altmodisch gedacht, könnte man ihm oder ihr beispielsweise die Hand schütteln oder ihn oder sie umarmen und dazu Face-to-face einen herzlichen Glückwunsch artikulieren. Würde der Freund 200 Kilometer entfernt wohnen, hätte man die Option, ihm zwei Tage vorher eine Karte zu kaufen und diese per Post zu schicken, vielleicht auch ein Geschenk einzupacken. Bei spontanen Menschen tut es der Telefonanruf.
Mittlerweile ist die Facebook-Gratulation längst ein elementarer Bestandteil des Glückwunschinventars. Hat ein Facebook-Nutzer Geburtstag, dann können auf seinem Profil etliche Glückwunsche eintrudeln. Die Anzahl der Glückwünsche variiert natürlich erheblich. Einer bekommt vier, der andere 30. Besonders viele Geburtstagsgrüße auf einer Facebook-Seite signalisieren demnach entweder die Beliebtheit der betreffenden Person oder die Faulheit der Gratulanten, die den Griff zum Telefonhörer scheuen. Ein Mysterium, das ich gern lösen würde...

Freitag, 11. Dezember 2009

Attraktive Schauen republikweit



Foto: Amazon.
Jürgen Teller ist der einzige mir bekannte popkulturell international relevante Fotograf, den Franken je hervorbrachte. Wer das widerlegen kann, soll sich bei mir melden. Er hat vor ein paar Jahren ein interessantes Buch mit einem schicken Cover herausgebracht und stellt noch bis nächstes Jahr in der Kunsthalle Nürnberg aus. Die Schau werde ich mir mit Sicherheit anschauen. "Dark Splendor" ist leider ein bisschen weit weg.

- Jürgen Teller // Logisch // Kunsthalle Nürnberg // bis 14.02.2010
- David Lynch // Dark Splendor // Max Ernst Museum Brühl // bis 21.03.2010
- F. C. Gundlach // Das fotografische Werk // Gropius-Bau Berlin // bis 14.03.2010

Der Autor und sein Verleger

Ein Auszug aus dem am 7. Dezember auf 869 pompösen Seiten erschienen Buchs, das den Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und seinem Verleger Siegfried Unseld dokumentiert. Eine brillant formulierter Schmähbrief von entzückender Dreistigkeit, wenn man so will die Zeilen eines beleidigten Kindes:

Lieber Doktor Unseld,
wenn ich bedenke, mit was für einem gigantischen Werbeaufwand Sie sich über drei Monate lang für Herrn Walsers Buch [»Brandung«] ins Zeug legen, während Sie für meine »Alten Meister« fast nichts getan haben, obwohl Sie wissen, dass heute Werbung beinahe alles ist, könnte mir die Lust an einer Zusammenarbeit mit dem Verlag schon vergehen. Aber ich schreibe ja für mich und nicht für den Verleger und um Geld geht es ja wirklich nicht...

Ihr
Thomas Bernhard


Quelle: Zeit Online

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Roy Orbison reloaded

Zu den vielen Verdiensten von David Lynch außer Twin Peaks, Mulholland Drive und Blue Velvet gehört ja auch, dass er mir Roy Orbison näherbrachte, den ich sonst immer für einen dicken Mann mit Brille gehalten hätte, der das furchtbare "Pretty Woman" zur gleichnamigen Schmonzette, dem Tiefpunkt der neunziger Jahre, gesungen hat. Eines der besten Lieder Orbisons hat Lynch in diese Szene von Blue Velvet gepackt. Und mit der spanischen Version von Crying, dem zweitbesten Orbison-Song, hat er dann Mulholland Drive unterlegt.

Montag, 30. November 2009

Listomania Teil 2

Das Listen-Ding hat ja bekanntermaßen verschiedene Epochen durchschritten. Bei Nick Hornbys "High fidelity" war es ein Nerd-Hobby, um die eigene Meinungsstärke zu demonstrieren. Irgendwann kam RTL und zerrte die Listomania mit Shows wie "Die zehn besten TV-Vollidioten" in den Prolo-Mainstream. Trotz allem schätze ich die Ordnungsfunktion von Listen. Justament fiel mir die Zeitschrift Sounds des Rolling Stone in die Hände, in der 250 Meisterwerk aus fünf Jahrzehnten aufgetafelt werden.
Hier das Resultat für die Nuller Jahre:
1. The Strokes: Is this it
2. Antony and the Johnsons: I am a bird now
3. Arcade Fire: Funeral
4. The white stripes: Elephant
5. Franz Ferdinand: Franz Ferdinand
6. Coldplay: A rush of blood to the head
7. Amy Winehouse: Back to black
8. Wilco: Yankee Foxtrott Hotel
9. The Streets: A grand to come for free
10. Gorillaz: Gorillaz

Mein Kommentar dazu: Platz eins geht absolut in Ordnung. Die Plätze 2 bis 3 dagegen gar nicht. Völlig unverständlich ist mir auch, wie man Gorillaz erwähnen, blurs um Längen besseres Album Think tank dagegen ignorieren kann. Auf Platz 4 gehören statt den White Stripes die Libertines, die es lediglich auf Platz 11 geschafft haben.

Sonntag, 22. November 2009

Lisztomania Teil 1 - Konzert im Berliner Huxley's

An manchen Abenden bin ich die Inkarnation einer Anti-Konzertgängerin. Das Gedränge ist mir zu dicht, die Schlange an Garderobe und Bierstand zu lang, die Luft zu stickig, die Zwischenräume zwischen den Menschen zu eng. Und der Gipfel aller Übel: Die Live-Musik klingt wie eine verwaschen-dröhnende Version der Platte. Ich erinnere mich leidvoll an die neunziger Jahre, als oasis in der Münchner Olympiahalle einen dröhnenden Gitarrenmatsch über dem Publikum ausgossen, der jegliche Melodik der Platte entbehrte. Ich wünschte mich sehnlichst in mein Wohnzimmer an den Platten- oder CD-Spieler.
An anderen Abend verwandle ich mich in eine elektrisierte Konzertgängerin, überzeugt, genau in dieser Sekunde am richtigen Ort auf der Erde zu sein und eines der brillantesten Konzerte des Jahres zu erleben. So wie am Samstagabend im Berliner Huxleys, als die ersten Takte von „Lisztomania“ erklangen: eine Nacht mit french pop music von Phoenix für die Ewigkeit.
Phoenix werden eines Tages als Ikonen des Indie-Pops der Nuller Jahre in die Musikwissenschaft eingehen. Die französischen Indie-Darlings aus Versailles schaffen einen unvergleichlich glasklaren Sound und zelebrieren ihre Live-Gigs meisterhaft, was sie bereits im Mai diesen Jahres im Berliner Berghain bewiesen. Keine Star-Attitüde, keine großen Gesten – nur 80 Minuten Konzert, umrahmt vom besten Song "Lisztomania" bis zum zweitbesten Song "1901" des letzten Albums "Wolfgang Amadeus Phoenix". Dazwischen: eine Akustik-Gitarren-Version von "Everything is everything", "Rome", "Fences", "Too young", "If I ever feel better", "Long distance call", "Rally" - mon dieu, merveilleux! Das Publikum hebt förmlich ab. Keine Frage, dass auch ein Geburtstagslied für Thomas Mars auf Wunsch seiner Bandmitglieder gesungen wird. Ach so: im Tour-Blog wird verraten, was der Gute an seinem schönsten Tage des Jahres noch gemacht hat.
Phoenix verehrt man, weil sie einen eigenen französisches Musikkosmos konzipiert haben, der seine Universalität in Nachbarschaft zu Gainsbourg und Daft Punk entfaltet.
Nonchalant post-musikalische Gesten unterstreichen den grundsympathischen Phoenix-Habitus. Beim letzten Lied holt Sänger Thomas Mars mal eben einen Teil des Publikums auf die Bühne. Die Jungs und Mädchen tollen so ausgelassen herum, dass ich vor Begeisterung ebenfalls gleich mittanze. Zum Ausklang erklingt klassische Musik – eine Aurevoir mit Stil.

Montag, 16. November 2009

Christmas is coming closer

Ratzfatz bin ich in Weihnachtsstimmung reingeschlittert. Liegt nur an einem: Der Weihnachts-EP der Pet Shop Boys mit dem schönsten Cover seit "White Christmas", jetzt schon zu pre-ordern. Ich hör schon die Glöckchen läuten, denn ta-ta: es gibt eine neue Version von It doesn't often snow at Christmas und natürlich von All over the world. Na dann: Let it snow.

Donnerstag, 5. November 2009

Histoire du cinéma

„Das Kino nach meiner Vorstellung oder meinem Wunsch
und meinem Unbewussten, das sich jetzt bewusst ausdrücken lässt,
ist die einzige Art und Weise, etwas zu machen, zu erzählen, sich Rechenschaft abzulegen, dass ich als Ich eine Geschichte habe,
aber dass, wenn es kein Kino gäbe, ich nicht wüsste, dass ich eine Geschichte habe“ (Jean-Luc Godard, Histoire(s) du cinéma)

Wenn das Truffaut noch erlebt hätte... gerade habe ich mir ein Werk aus dem Suhrkamp-Verlag gekauft, das wahrscheinlich das reduzierteste Cover seit langem hat, das so schön ist, das man darin versinken möchte. Jean-Luc "Filmgott" Godard erzählt darin die Geschichte oder die Geschichten des Kinos: "Das Kino ist eine Idee des 19. Jahrhunderts, die ein Jahrhundert gebraucht hat, um sich zu verwirklichen und zu verschwinden".

Montag, 2. November 2009

In der Fremde verloren

Auch wenn der Dokumentarfilm bisher eher ein mir fremdes Genre war, so habe ich es in der vergangenen Woche auf dem 52. Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm durchaus schätzen gelernt. Der Film Les arrivants von Claudine Bories et Patrice Chagnard wurde von der Jury als bester internationaler Dokumentarfilm ausgezeichnet und tatsächlich schafft er das kleine Kunststück, eine tiefere philosophische Botschaft aus der Dokumentation des auf den ersten Blick langweiligen Alltags einer Pariser Behörde für Asylsuchende zu destillieren.
Ganz im Sinn des vielzitierten Clash of Cultures sieht man das alltägliche Durcheinander in einer Pariser Behörde, in der Menschen aus Afrika und Asien eintreffen, und die Frustration und Hilflosigkeit der Sozialarbeiterinnen angesichts der Unmöglichkeit, mit den Neuankömmlingen zu kommunizieren, zumindest nicht im Behördensprech, den die Gesetze den Sozialarbeitern aufoktroyieren. Sehr subtil wird die Einsamkeit der Ankommenden in der Metrople Paris in der ihnen fremden Kultur gezeigt. Die hilflosen Dolmetschversuche versanden in Sprachlosigkeit.
Gleichzeitig dokumentiert der Film den Kontrast zwischen Auserwählten und solchen, die man am liebten draußen lassen möchte, zumindest aus Europa. Wer sich nicht überzeugend genug als politisch Verfolgter darstellt, der hat keine Chance, die begehrte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Hier geht es nicht um die Gnade der späten Geburt, sondern um die Geburt am richtigen Ort.

Montag, 26. Oktober 2009

When movies adapt reality it's DOK time


Foto: Dok Leipzig
Dieses Jahr werde ich dem Dokumentarfilmfestival Leipzig, das heute begonnen hat, mehr Aufmerksamkeit als in den Jahren zuvor widmen. Ein Film liegt mir dabei besonders am Herzen.

On the other side of life (2009)
Der Film der beiden Deutschen Stefanie Brockhaus und Andy Wolff ist ein Coming-of-age-Drama. Zwei Jungen, Lucky und Bongani, aus einem Township Kapstadts, ohne Zukunft, ohne Geld, völlig haltlos in einer Welt, die sie ablehnt. Sie schnorren sich durchs Leben, hier ein Mädchen, dort ein Joint. Dann geschieht ein Mord. Ein Diskurs über die Zerrissenheit Afrikas.

Give peace a chance

Samstag, 17. Oktober 2009

Der Menschenvernichter

Skandal, Provokation, Erleuchtung - die Kritik taumelte zwischen Begeisterung und Verachtung angesichts Lars von Triers "Antichrist". Mit dem Titel macht der Regisseur ganz klar, wohin die Reise geht: Hölle, Teufel und Folter - das bekommt der Zuschauer serviert. Dabei legt der Film zunächst eine falsche Fährte. Das Kind eines Paares stürzte aus dem Fenster seines Kinderzimmers in den Tod. Wie im psychologischen Drama werden die Trauerarbeit und die Gespräche des Mannes und der Frau, deren Namenlosigkeit den Abstraktionsgehalt des Filmes unterstreicht, erzählt. Allein das Kind des Paares, das im Epilog den romantischsten Filmtod starb, den man je bei einem Kleinkind gesehen hat, trägt einen Namen: "Nic". Aber schnell wird klar, dass es überhaupt nicht um das Kind, sondern nur um die Paarbeziehung geht.
Sie (Charlotte Gainsbourg) kämpft mit einer scheinbar durch den Tod des Kindes ausgelösten Psychose, er (Willem Dafoe) als erfahrener und rational orientierter, gleichzeitig höchst verständnisvoller Therapeut sucht in der Gesprächs- und Konfrontationstherapie scheinbar Heilung seiner Frau. Die Reise in eine Waldhütte als Reise in das Herz der Finsternis zerschmettert die Handlung mit einem Schlag. Im Wald eskaliert das Zusammensein der beiden, wendet sich von einer zur anderen Sekunde in Brutalität und Gewalt.
Die Fragmentierung des Films manifestiert von Trier anhand der Kapitelstruktur. Prolog und Epilog, unterlegt von der wunderschönen Arie aus Händels Oper "Rinaldo" mit dem passenden Titel "Lass mich beweinen mein grausames Schicksal" sind optisch eine Freude. Dazwischen vermischen sich oberflächlich schöne Szenen mit Akten dumpfer Brutalität - letztere dem Horrorgenre entliehen inklusive Verfolgungsjagd mit gehandicaptem Opfer und Täterin (hier ist es SIE), die das Opfer ohne einen in der Filmhandlung begründeten Auslöser töten will. Ihre Mordlust basiert allein auf einer mittelalterlich begründeten überirdischen Vorstellung des Teuflischen, des Antichristen an sich, der dieser Frau innewohnt.
Was bleibt nach der Rezeption, wenn die Lichter im Kino angehen? Distanz zum Geschehen, zu den Figuren, zur Geschichte. Vielleicht keine emotionale Kälte, aber doch Leere.

Montag, 28. September 2009

Un nuovo movimento

Heute im Zeit-Magazin eine reizende und nonchalante Betrachtung von Tillmann Prüfer über die Paninari gelesen, die italienische Subkultur der achtziger Jahre, die die Pet Shop Boys zu einem ihrer besten Lieder inspirierte: "Die Paninari schockierten nicht durch politische Forderungen, die sie an die ältere Generation stellten, sondern damit, dass sie sich von der Politik abwendeten, Amerika verehrten und sich dem Hedonismus hingaben". Ihre Hobbies, wie die Italiener sagen würden: "Superficialità, consumismo, vanità, gusto per gli eccessi".

Samstag, 26. September 2009

Der gebrauchte Jude

Ich habe keine Ahnung, ob Maxim Biller noch hin und wieder in der Lucca Bar in Leipzig sitzt oder in der Galerie Kleindienst und bei EIGEN + ART vorbeischaut. Oder ob er Spaziergänger, die ihn ansprechen, mit einem kühlen Blick abserviert und ratlos stehen blässt - wo sie ihm doch nur einige Sekunden der Verehrung widmen wollten. Vor einigen Monaten tat er dies noch. Vielleicht ist ihm die Heldenstadt noch böse wegen der frechen "Die Ossifizierung des Westens"-Wutrede.

Trauriger Optimist, Anti-Feminist, schlechter Deutscher – Autoren, die über Biller schrieben, sind immer recht erfinderisch bei ihren Charakterisierungen. Meiner Meinung nach ist Biller eine Mischung aus Arroganz, Empfindsamkeit und rhetorischer wie intellektueller Virtuostiät. Und dieser angry young man der deutschen Literatur, der dem Publikum früher in der Zeischrift Tempo 100 Zeilen Hass vor die Füße warf, hat ein neues Buch veröffentlicht: "Der gebrauchte Jude. Selbstporträt" und nachdem ich Henryk M. Broders unterhaltsame Rezension, die mit einem gewaltigen Schuss Polemik gewürzt ist, im SPIEGEL gelesen habe, will ich es unbedingt haben. Broder über Biller: "Bekäme Biller den Literatur-Nobelpreis - womit er übrigens fest rechnet - würde das an seinem Komplex nichts ändern. Er käme sich weiter benachteiligt, zu kurz gekommen und verkannt vor, weil ihm der Preis viel zu spät verliehen worden wäre - wie Marcel Reich-Ranicki, der nach nach dem neunten Ehrendoktor nicht vergessen hat, dass er bei der "Zeit" nie zu einer Konferenz mitkommen durfte.

Freitag, 25. September 2009

Die Verteidigung der Kindheit



"We all know that something is eternal. And it ain't houses, and it ain't names, and it ain't earth, and it ain't even the stars." Thornton Wilder



"Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen." Christa Wolf



"Ich liebte die Bücher, die ich schon gelesen hatte und die, die zu lesen mir noch bevorstanden, diese unendliche Zahl von Büchern, in welchen praktisch alles aufgeschrieben ist, wie ich dachte, ich liebte, kann ich ruhig sagen, schon als Kind das Geistesleben mehr als das andere." Thomas Bernhard

Sonntag, 20. September 2009

Digital ist schlechter



Musik ist heute flüchtiger als gestern. Eine CD brenne ich mir in Nullkommanix. Deswegen hänge ich mir meine Kassetten von früher wie Trophäen an die Wand. In meiner Kindheit war eines meiner Lieblingshobbies, Kassetten aus der Bücherei auszuleihen und mir auf meine eigenen Tonbänder zu überspielen. Hatte ja genug Zeit. Am liebsten hab ich mir die Beatles überspielt. Und die Rolling Stones. Hat immer lang gedauert, bis ich die richtige Zusammenstellung gefunden hatte. Weil ich nämlich die Liedfolge der Beatles komplett über den Haufen warf und die Kassetten so zusammenstellte, wie es mir gerade in den Kram passte. Also beim Yeah-yeah-yeah-Frühwerk der Beatles von Please please me bis Rubber soul. Den Rest von Revolver bis Let it be hatte ich dann schon auf CD. Der Rückkehr der Kassette wird ja schon seit einiger Zeit gehuldigt wie hier im Leipziger Laden Die Kassette. Oder auf den Mixtape-Exchange-Parties. Bin ich dabei.

Samstag, 19. September 2009

Über die Einsamkeit



Ich fange an, die negative Konnotation der Einsamkeit aufzuweichen und den Begriff für neue Deutungen zu öffnen, da Einsamkeit etwas Produktives in sich trägt und kein Zustand ist, für den man sich schämen oder der getarnt werden muss. Dazu habe ich etwas Schönes in der Zeit von Jana Simon gelesen, die Charlotte Gainsbourg interviewt, die sich ja bisher nicht gerade eines isolierten Daseins verdächtig gemacht hat. Doch Charlotte sagt im Interview über ihre Kindheit: "Ich war immer einsam, deshalb fühlte ich mich nicht schlecht damit."
Ulf Poschardt hat ein ganzes Buch über Einsamkeit geschrieben. Er sagt im Interview einen zustimmungswürdigen Satz: "Leider tendieren die Einsamen mehr und mehr dazu, daheim zu bleiben und DVDs zu gucken. Der soziale Einsame ist der Kinogänger, der asoziale der DVD-Kunde." Und er sagt einen zweiten noch zustimmungswürdigeren Satz, wenn er von seiner Jugend in Nürnberg spricht: "Das, was sich an Vorstellungen, Wünschen und Ideen im Innern meines Kopfes abspielte, war nicht mit meiner damaligen fränkischen Umwelt zu synchronisieren".

Donnerstag, 17. September 2009

Nachdenken über Judith B.

Was mir an der amerikanischen Feministin Judith Butler ja immer behagte, war ihre rigorose Ablehnung sämtlicher Kategorien, in die Menschen - unter dem Joch einer sozial konstruierten Systematik - eingeordnet werden. Daraus abzuleiten, dass es überhaupt kein biologisches Geschlecht mehr gäbe, das dem sozialen vorgängig sei, barg ja dann doch einen Hauch von Revolution. Aber im Grunde ist es auch wieder logisch, da alles, was wir betrachten, nicht naturgegeben, sondern sozial konstruiert ist. Erst durch unsere Benennung wird eine Frau zu einer Frau und ein Mann zu einem Mann. Oder doch nicht? Man könnte sich nun in einer Endlosschleife darüber streiten, welches Ding welcher Sache vorausgeht. Oder man schaut sich einfach an, was das Theaterkollektiv Fräulein Wunder morgen im Leipziger Off-Theater LOFFT so auf der Bühne anstellt.
Denn dort läuft von morgen bis Sonntag ein rotziges Stück über die unendliche Geschichte des Feminismus, worüber der Freitag eine Betrachtung geschrieben hat, die Lust auf einen Theaterbesuch macht.

Dienstag, 15. September 2009

Die Boboisierung der Metropolen

Der Hausphilosoph am Leipziger Centraltheater, Guillaume Paoli, ist eine Person, über die es sich nachzudenken lohnt. Nicht nur, dass er ab September wieder in seine Philosophische Praxis einlädt, nein, er befasste sich hier bereits mit der Gattung der Bobos - eine Wortneuschöpfung aus Bourgeois und Bohème. Der Begriff ist eigentlich kein neues Label. Die Bobos mögen die Berliner Kastanienallee und bewirken laut Paoli, dass Eckkneipen gegen Afterwork-Sushibar ausgetauscht werden. Er sagt, die Bobos zerstörten Authentizität.
In der Straße, in der ich früher im Leipziger Stadtteil Connewitz gewohnt habe, gab es zwar wenige Bobos, dafür befand sich dort ebenfalls eine Institution, die sich philosophische Praxis nannte. Ich hoffe, sie ist immer noch dort. Ein Vorhang verbarg den Blick auf den Innenraum des Ladengeschäftes und unter einer Telefonnummer konnte man einen Termin mit dem Philosophen vereinbaren. Mehr philosophische Praxen für die Republik!

Leipzig, Deutschland 09

Fragt man mich nach einer meiner liebsten Städte, dann würde ich ohne Zögern "Leipzig" antworten. Es ist keine Einbildung sein, dass die Stadt eine unfertig-romantische Atmosphäre besitzt. "FRIEDLICHE REVOLUTION 09. Freie Erde für freie, teilende Menschen. Nicht: Wir sind das Volk... Sondern: WIR SIND EINE NICHT KORRUPTE MENSCHHEITSFAMILIE!!! Das Prinzip Hoffnung. Ein Kommunismus der Liebe und der Vernunft". (Aus dem aktuellen Programmheft des Leipziger Centraltheaters zur Anti-Kapitalistischen Dauerinstallation auf dem Gelände des Weißen Hauses in der Gottschedstraße).

Montag, 7. September 2009

Das Schweigen - ein Film aus Franken oder Dreharbeiten im cineastischen Brachland


Foto: Blond PR

Nürnberg und Umgebung sind nicht gerade als filmaffine Region bekannt. Trotzdem wurde im August der Film Das Schweigen von Regisseur Baran bo Odars, einem 31-jährigen gebürtigen Schweizer, gedreht. Es ist sein erster Spielfilm.
Der Film spielt in einer fiktiven deutschen Stadt und erzählt von fünf heißen Sommertagen, der Zeit, in der die Hitze über der Stadt wie eine schwere Decke liegt. Der 13-jährige Junge Sinikka verschwindet. Er wurde zuletzt am selben Ort gesehen, an dem 23 Jahre zuvor ein Mädchen getötet wurde. Für die Eltern von Sinikka und Pia, des getöteten Mädchens, beginnt eine Zeit der Angst und der wiederkehrenden quälenden Erinnerungen.
Da der Film mit Sebastian Blomberg, Wotan Wilke Möhrung, Burghart Klaußner (zuletzt in Das weiße Band von Michael Haneke zu sehen) und Katrin Saß hervorragend besetzt ist, bin ich gespannt auf das Frühjahr 2010, wenn Das Schweigen im Kino anläuft.

Samstag, 5. September 2009

Qu'est-ce que le cinéma? La Nouvelle Vague


Foto: Cineaste.com
Die Nouvelle Vague ist für mich von jeher ein Synonym für Jugendlichkeit und Moderne. Jetzt wird sie tatsächlich schon 40 und die Cinématheque Française feiert deshalb eine Retrospektive.

Bonjour Deauville

Deauville ist ein Ort der unerfüllten Sehnsüchte. Er war es für Françoise Sagan und Gabrielle "Coco" Chanel, deren Biografien vor kurzem verfilmt wurden. Da Filme US-amerikanischer Provenienz in Frankreich spätestens seit François Truffauts Le Cinéma selon Alfred Hitchcock von 1967 auf breite Akzeptanz gestoßen sind, wird in Deauville seit 1975 jeden September das Festival du Cinéma Americaine gefeiert, das gestern begonnen hat. Gewürdigt wird dieses Jahr der amerikanische Regisseur Robert Aldrich, dessen wunderbarer Film Noir Kiss me deadly leider ein wenig in Vergessenheit geraten ist, was nicht an fehlender Spannung, sondern eher am unbekannten Ensemble des Filmes liegt. Ehrengast in Deauville ist - sympathisch unoriginell - Harrison Ford, der nach The fugitive von 1993 keinen guten Film mehr gemacht hat, wenngleich seine Leistung in Blade Runner jegliche cineastische Ehrung mehr als rechtfertigt. Außerhalb des Wettbewerbs läuft Richard Linklaters Me and Orson Welles mit Claire Danes und Zac Efron an, ein Film über das Theater. Im New York des Jahres 1937 ergattert der Student Richard Samuels eine Rolle in Julius Cäsar, das von Orson Welles inszeniert wird. Bisherige Kritiken betrachteten Linklaters wohlwollend, Efron wird teilweise müde belächelt.

Donnerstag, 3. September 2009

Beauty dies young - Jean Seberg Icon

Vor fast 30 Jahren - am 30. August 1979 - starb Jean Seberg. Sie stammte ja aus Iowa, dem wenig spektakulären US-Bundesstaat, in dem ich 2001 einen Aufenthalt bei Bekannten meiner Familie in einem Altersheim in Cedar Rapids verbrachte und in einem Bett nächtigte, über dem zwei gekreuzigte Gewehre hingen. Auch mal schön. Seberg verließ die Provinz, traf erst auf Otto Preminger, der sie als Cecile in Bonjour Tristesse besetzte und 1960 auf Jean-Luc Godard, der sie mit Jean-Paul Belmondo in À bout de souffle, ihrem besten Film, inszenierte. Niemand vor oder nach ihr trug ein geringeltes T-Shirt je wieder mit größerer Eleganz und niemand sah mit einer blonden Kurzhaarfrisur je wieder hübscher und moderner aus. Die Zeit hat Seberg ein entzückendes Porträt gewidmet.
Seberg war mit dem in Litauen geborenen Schriftsteller Romain Gary verheiratet, beide hatten einen gemeinsamen Sohn, Alexandre Diego Gary, der seine Autobiographie S. ou l'espérance de vie veröffentlicht hat. Johanna Adorján hat darüber einen beeindruckenden Bericht in der FAZ geschrieben.

Von Antichristen und Whiskytrinkern

Zwei Filme - einer von einem deutschen und einer von einem dänischen Regisseur - werde ich mir in den nächsten zwei Wochen auf Zelluloid ansehen. Der erste Film auf der To-Watch-Liste ist Andreas Dresens Whisky mit Wodka, für den wieder einmal der großartige Wolfgang Kohlhaase das Drehbuch geschrieben hat, der mich schon mit seinen Arbeiten Berlin Ecke Schönhauser, Die Stille nach dem Schuss und Sommer vorm Balkon beeindruckt hat. Ich erhoffe mir also ein authentisches Schauspiel mit den ehrenwerten Herrschaften Henry Hübchen und Corinna Harfouch.
Der zweite Pflichtfilm, wenn auch ein Stoff mit erbarmungslosem Depressionspotenzial, ist Lars von Triers Antichrist, über den ja bereits im Rahmen der diesjährigen Filmfestspiele von Cannes berichtet wurde und ein Sujet, das Elfriede Jelinek noch einmal im aktuellen Cargo-Magazin (eine junge und wunderschöne Zeitschrift) aufgreift.

Samstag, 22. August 2009

Mr. Tarantino, was haben Sie sich dabei nur gedacht?

Tarantinismus is back: Quentin Tarantino ist ja in diesen Tagen im deutschen Feuilleton wieder mächtig en vogue. Inglourious basterds läuft an, nachdem er gefühltermaßen ob des medial ausgewalzten Schnickschnacks bei den Dreharbeiten in Deutschland eigentlich bereits letztes Jahr lief. Die Nazi-Klamotte wird mal gelobhudelt wie auf Spiegel Online, im Freitag mal skeptisch betrachtet. Elaboriert fabuliert dazu Claudius Seidl auf FAZ.net. Kino-Connaisseur Georg Seeßlen hat gleich ein ganzes Buch über Tarantino gegen die Nazis geschrieben, aus dem Spiegel Online einen Auszug veröffentlicht. Die portugiesische Zeitung Diário Econónomico setzt sich hier ebenfalls kritisch mit den antisemitischen Tendenzen des Films auseinander.
In erster Linie wird der Film aber ignoriert - man denke nur an die Diskussion zurück, als Tom Cruise für Operation Valkyrie im Bendlerblock drehen wollte.
Wer mitgezählt hat, weiss, dass es der sechste Film des Amerikaners ist. Immer wieder klopft Tarantino verzweifelt an die Hall of Fame der Autorenfilmer. Nur lässt ihn leider keiner rein.
An Tarantinos Filmen stören mich stets die bescheidenen Figurenzeichnungen und auch diesmal bleiben einige Darsteller so blaß, dass man sie fünf Minuten nach dem Kinobesuch bereits vergessen hat: Diane Kruger als Bridget von Hammersmark, Brad Pitt als Aldo Raine und Eli Roth als Donny Donowitz dienen lediglich als Staffage, wohingegen Christoph Waltz als Hans Landa einen prägnanten Eindruck hinterlässt.
Ein Regisseur, dessen stilbildende Grandezza bis heute mit einer Helligkeit strahlt, die selten ein Filmemacher nach ihm erreicht, ist Alfred Hitchcock, der vor knapp einer Woche 110 Jahre alt geworden. Hitchcock hat eigentlich all das erfunden, was heute im Kino Usus ist, allerdings hat er dies mit einer Perfektion getan, die seinen Epigonen misslang. Seinen britischen Dandyismus bewahrte er sich selbst in seinen Hollywood-Jahren. Er besetzt seine Figuren zwar stets mit der obersten Riege des damals noch homogenen Starsystems Hollywoods, doch was heute mit einem Tom Cruise, einem Brad Pitt oder einer Angelina Jolie ein müdes Gähnen bewirkt, war damals aufregend.
Alle seine Stars waren exzellent präpariert, um im Sinne der Hitchcock-Visionen zu agieren: Cary Grant, Ingrid Bergman, James Stewart, Paul Newman, Grace Kelly, Sean Connery, Peter Fonda, Anthony Perkins, Kim Novak.
Hitchcock war Auteur und machte kommerziell erfolgreiches Kino - ein Spagat, der heute oft danebengeht
Viele seiner Szenen sind einem auf ewig ins filmische Gedächtnis eingebrannt: James Stewart als L.B. Jeffries mit eingegipstem Bein im Rollstuhl sitzend und die Wohnungsfront gegenüber betrachtend. Die Maisfeldszene mit Cary Grant als Roger Thornhill auf der Flucht vor einem mörderischen Flugzeug in North by northwest. Die Duschsequenz in Psycho, als Hitchcock seine Heldin Marion Crane alis Janet Leigh nach einer halben Filmstunde ums Leben kommen lässt.

Donnerstag, 20. August 2009

Ende Neu reloaded

Runde Zwei für Intendant Sebastian Hartmann: Er darf auch in der Theatersaison 2009/2010 im Leipziger Centraltheater und in der Skala wieder ran. Leider werden einige Stücke aus der Saison 2008/2009, die unter dem Motto Ende Neu begonnen wurde, aus dem Repertoire entfernt. Dazu gehört die Klimarevue von Rainald Grebe. Wie Grebe mit seiner urkomischen Inszenierung auf der Bühne für den Klimaschutz warb und die Zuschauer für dieses wichtige Thema sensibilisierte, war preisverdächtig.
Dafür knüpft man an die Inszenierung amerikanischer Dramatiker an und zeigt Tennessee Williams „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, den Leipziger Clemens Meyer mit der Adaption seines Romans „Die Nacht, die Lichter“, Anton Tschechows „Der Kirschgarten“ und ein spannend anmutendes Stück mit dem Titel „Büchner/Leipzig/ Revolte“ in Anlehnung an Georg Büchner.
Intendant Sebastian Hartmann selbst kehrt mit einer Bühnenfassung von Wim Wenders grandiosem Film „Paris, Texas“ zurück. Man darf also gespannt sein.

Mittwoch, 19. August 2009

Chopin mémoire


Foto: Tbray.org

Misstrauisch und melancholisch blickt er in die Kamera. Nur ein einziges Foto ist geblieben von Frédéric Chopin, dem französischen Komponisten und Pianisten, der nur 39 Jahre alt wurde und die schönsten Klavierstücke schrieb, die man sich vorstellen kann und dessen Etüden, Walzer und Préludes ich viele Jahre lang an meinem weißen Klavier gespielt, sie manchmal aufgrund ihrer Tücken verdammt und dann wieder verehrt habe. Chopin starb vor fast 160 Jahren in Paris, doch seine Klavierstücke sind von einer unvergänglichen und modernen Leichtigkeit. Die Stücke variieren mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen heiter und düster und alle zeichnet ein herrlicher Wechsel zwischen den verschiedenen Tempi aus.

Donnerstag, 13. August 2009

Herr Casablancas is back

What inspired the Strokes? Julian Casablancas: "It's that feeling when you hear your favourite song. That feeling, whether you're in a car, at a party or alone at home or in bed and you hear this song and it just hits you so strong - that's what we aim for".

Sonntag, 9. August 2009

Beatles remembered

Vor 40 Jahren wurde das Beatles-Album Abbey Road veröffentlicht, die letzte Platte, die die Beatles gemeinsam mit George Martin aufnahmen. Dies war tatsächlich die erste CD, die ich mir je gekauft habe und sie begeisterte mich von Anfang an. Bis heute ist es nach Revolver mein liebstes Beatles-Album. Natürlich war ich bereits selbst auf dem legendären Zebrastreifen in London St. Johns Wood. Das Cover finde ich nach wie vor fantastisch. Vom Opener Come together bis zum ironisch angehauchten Hidden track Her majesty ist das Album ein Meisterwerk - eine Mischung aus McCartneyscher Emotionalität frei von jeglichem Kitsch, Lennonscher Coolness und Harrisons brillanten Beiträgen Here comes the sun und Something.

Sonntag, 19. Juli 2009

Thomas Bernhard zum Georg-Büchner-Preis

„Es gibt nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man den Tod denkt....Das Problem ist, mit der Arbeit fertig zu werden, und das heißt, mit dem inneren Widerwillen und mit dem äußeren Stumpfsinn...das heißt, über mich selbst und über Leichen von Philosophien geh’n, über die ganze Literatur, über die ganze Wissenschaft, über die ganze Geschichte, über alles...es ist eine Frage der Geisteskonstitution und der Geisteskonzentration und der Isolation, der Distanz...der Monotonie...der Utopie...der Idiotie...Das Problem ist immer, mit der Arbeit fertig zu werden, in dem Gedanken, nie und mit nichts fertig zu werden..., es ist die Frage: weiter, rücksichtslos weiter, oder aufhören, schlußmachen...es ist die Frage des Zweifels, des Misstrauens und der Ungeduld.“ (Thomas Bernhard: Meine Preise)

Samstag, 18. Juli 2009

Resümee nach der ersten Saison



"Dieses Theater schlägt Wunden, es schlägt zu, es nimmt sich, wenn es mal einen Augenblick nichts zu sagen weiß, laute Musik zu Hilfe, es will den knallharten, klaren, konzisen Konflikt mit der Realität und dem Publikum" schreibt die Frankfurter Rundschau. Und: "Es lohnt sich wieder in Leipzig ins Theater zu gehen", urteilt die taz. Die erste Saison des Intendanten ist zu Ende. Sebastian Hartmanns Neuausrichtung der bislang überregional unbedeutenden Leipziger Theaterszene hat sich nach Saisonschluss bis nach Frankfurt, Berlin, München und Zürich herumgesprochen. Theater war für mich meist eine konventionelle Abendunterhaltung. Doch mit dem neuen Centraltheater und der Skala lernte ich etwas kennen, das mir bislang fremd gewesen war. Eine Art, Stücke zu zerfleddern und in einer Weise zu inszenieren, dass sie wenig bis gar nichts mit dem Textkorpus zu tun haben, den der Dramatiker einst erdachte. Ich erlebte peinlich Augenblicke, in denen man sich für die Selbstentblößung der Bühnenschauspieler fremdschämte. Doch ich erlebte Emotionen, die ich sonst nur aus dem Kino und dem Konzert kenne.

Sonntag, 5. Juli 2009

Der schale Ruhm des Kultregisseurs Tarantino

Michael Haneke spricht mir aus der Seele, wenn er in der heutigen Süddeutschen Zeitung mit Kultfilm-Klassikern hart ins Gericht geht: "Das Mainstream-Kino entrealisiert, überdreht und ironisiert Gewalt. Pulp Fiction ist dafür ein Musterbeispiel. Wenn da der Kopf weggeblasen wird, herrscht ein Riesengelächter im Saal. Das ist perfekt gemachter Zynismus im Dienste der Verkaufbarkeit". Genau dies ist – treffend formuliert – der Punkt, der mir bei Tarantinos Filmen wie Kill bill I und II sowie From dusk till dawn seit Jahren auf den Geist geht.

In erster Linie bedienen diese Filme rein kommerzielle Interessen. Selbstverständlich sind auch Autorenfilmer auf ihr Publikum angewiesen. Allerdings hat Quentin Tarantino das, was man in Pulp Fiction noch frisch und aufregend fand, in seinen darauffolgenden Filmen – und hier seien exemplarisch Kill bill I und II genannt – massentauglich perfektioniert und ein Kino der Oberflächlichkeit geschaffen. Tarantino setzt auf Effekt und Krawall: ohne Seele, ohne Botschaft, ohne Reflektion. Er schafft keine Charaktere, erzählt keine Geschichte und widersetzt sich allen Regeln der Autorenfilmer.

Seine Filme ziehen Referenzen zu Kung-Fu- und Trash-Movies. Das Resultat: ein wirrer Brei aus Zitaten und Stimmungen. Welche Botschaft will er dem Zuseher vermitteln? Scheinbar die der kommerziellen Endlosverwertung des Sujets der zynisch dargestellten Gewalt, das Tarantino bei Pulp Fiction noch die Goldene Palme in Cannes brachte und mit dem er seitdem die Kinoleinwand zuballert.

Tarantino war nie ein Autorenfilmer im Sinne eines Truffauts, eines Hitchcocks, eines Sirks, eines Lynchs, eines Godards, eines Wenders, eines Hanekes, eines von Triers, eines Fellinis oder eines Buñuels. All diese Filmregisseure haben Geschichten erzählt und eine eigene Filmsprache entwickelt. Tarantino ist und bleibt lediglich ein ohne Frage filmbesessener Regisseur, der es versteht, unter dem Deckmäntelchen des Autorenfilmers massenkompatibles Kommerzkino in Werbefilmästhetik zu produzieren und die niedrigen Instinkte der Masse mit blutbesudelten Hochglanzbildern zu bedienen.

Kino à la Tarantino ist für Menschen, die nicht reflektieren, sondern konsumieren. Sein ständig wiederkehrendes Erfolgsmotiv ist die extreme und gewiss ästhetisierte Gewaltdarstellung, die vom Zuschauer gleichsam einer Slapstick¬-Einlage absolut vorhersagbar mit Sich-auf-die-Schenkel-Klopfen-und-vor-Lachen-Krümmen goutiert wird. Gerade deswegen ist Tarantino alles andere als innovativ, sondern ähnelt vielmehr den Coca-Cola-Produzenten, die ihre höchst erfolgreiche Brause mal mit Cherry anreichern, mal mit und mal ohne Koffein anbieten und ihren Verkaufsschlager einem unkritischen Publikum in sämtlichen Geschmacksrichtungen in den Rachen gießen. Hauptsache, das Zeug wird gesoffen.

Freitag, 3. Juli 2009

blur are back and oasis are dead

Die größte Band des Britpops begegneten mir das erste Mal im Zimmer meines Bruders. Es war das Jahr 1994. An seiner Holztür hing ein Poster, auf dem ein Mann auf einem Holzparkettboden lag. Neben ihm stand ein Glas Rotwein. Hinter ihm saß, ein wenig kleiner als der Liegende, ein weiterer Mann, der Gitarre spielte, auf einem Sofa. Drei weitere Männer lungerten ebenfalls in diesem Raum herum. "Ist das alt?", fragte ich naiv-dumm meinen Bruder, da mein erster Gedanke war, dass es sich um Plakat aus den sechziger Jahren handle. Er verneinte. Das war wohl meine erste Begegnung mit Retro - und oasis. Mit voller Wucht eroberten Liam, Noel und Co. mein Herz in den nächsten Jahren. 1996 dann der Besuch des oasis-Konzerts in der Messehalle in München-Riem. Bei Champagne Supernova stand ich überwältigt in der Masse - das war Britpop at its peak und ich befand mich mittendrin. Nach dem Konzert kauften wir hellblaue oasis-Shirts, die wir wochenlang trugen, spöttisch beäugt von diversen Klassenkameraden - ein Verhalten, das mir bis heute rätselhaft bleibt. All diese Eskapaden gipfelten 1997 in einem Besuch im Londoner Stadtteil Primrose Hill und mehrstündigem Herumlungern vor Noels luxuriösem Stadthaus und dem stolzen Ergattern eines Autogramms, das meine Freundin Babsy wie eine Trophäe davontrug. Wonderwall geht mir bis heute unter den all den Liedern am nähesten, immer noch - wenn ich das Video anschaue, fühlt sich mein Kopf, mein Herz, mein Körper wieder an wie 1996. Und jetzt haben wir 2009, genauer gesagt den 3. Juli, und es ist der Tag, an dem die wiedervereinigten blur ihr zweites Comeback-Konzert in London geben. Und wo sind oasis? Verschwunden im Orkus der Musikgeschichte. Ich bin geläutert. Niemals hätte ich 1995 gedacht, dass blur mich einmal mehr berühren würden als oasis. Doch heute ist es so. Think tank war 2003 mein absolutes Lieblingsalbum. blur spielten die zugehörige Tour und traten im Metropole Lausanne auf. Ich war zu Tode betrübt, da ich kein Ticket mehr bekam. Out of time, On the way to the club, Battery in your leg und Good song waren einfach so unglaublich gut, weil sie Manifeste des schönsten Liebeskummers und des Stadiums der größten Verliebtheit waren. blur sind zurück - die größte Band diesseits und jenseits von Britpop. Britpop war nur eine Phase ihrer Bandgeschichte. Für oasis markierte das Ende von Britpop auch das Ende ihrer Großartigkeit.

Donnerstag, 25. Juni 2009

Meine illustren Nachbarn

Meine Tränen - das Resultat der Lektüre von Judith Hermanns "Alice" angesichts der Tristesse der unterkühlen, vereinsamten Menschen, die diese Buch bevölkern - waren kaum getrocknet, da erfuhr ich, dass Erich Kästner ebenfalls wie ich in der Hohen Straße in Leipzig gewohnt hat, was mich sehr freut, denn ich habe seine Kinderbücher als Kind geliebt. Sie prägen mein Bild von West-Berlin bis heute. Irgendwie glaube ich immer, dass in Berlin gleich Pünktchen, Anton und Emil um die Ecke kommen. Auch bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Nollendorfplatz muss ich immer an Szenarien aus Kästners Büchern denken. Ihm verdanken wir diese zahlreichen liebenswerten Kindergestalten. Er ähnelt darin einem Mann aus dem Filmmetier, François Truffaut, der wunderschöne Kinderfiguren wie Antoine Doinel für die Leinwand erschaffen hat. Truffaut liebte Kinder. Geprägt durch die eigene traurige Kindheit, galt ihnen seine ganze Sympathie. Doch nicht nur in physischer Nähe von Kästner, wenn auch durch einige Jahrzehnte getrennt, hatte ich geschlafen, gegessen, gelesen, gewaschen, nein, auch Alexander Osang wohnt einst wie ich im Wohnheim in der Johannes-R.-Becher-Straße und ich vermute fast, dass sich an dem Plattenbau von der DDR zur Zeit nach der friedlichen Revolution wenig geändert hat.

Dienstag, 23. Juni 2009

Ich kenne das Leben, ich bin im Theater gewesen

Bedauerlicherweise neigt sich die erste Saisons der Intedanz von Sebastian Hartman am Leipziger Centraltheater dem Ende. Noch bis 11. Juli kann man Theaterstücke besuchen, ab 5. Juli läuft allerdings nur noch "Genie und Verbrechen" am Gohliser Schlösschen. Für mich war es eine absolut neue Erfahrung, die Art von Bühnenspiel zu sehen, die Hartmann inszeniert, und keine der Vorstellungen, sei es die "Publikumsbeschimpfung", "Eines langen Tages Reise in die Nacht", "Macbeth", "Arsen und Spitzenhäubchen" hat mich kalt gelassen, sondern vielmehr wütend, fröhlich, verärgt, traurig oder bestürzt geamcht. Aufregender fand ich die Inszenierungen an der Skala: "Maschinenwinter" und "Night of the nerds" waren beeindrucken - nächste Woche werde ich mir die "Idioten" ansehen. Wieso nur ein verschwindend geringer Teil der Studentenschaft den Weg ins Theater fand - diese Frage kann ich nicht beantworten. Traurig finde ich es trotzdem.

Dienstag, 16. Juni 2009

Popland and its media

Schon seit einer ganzen Weile liebe ich Popmusik. Den Beginn dieser Leidenschaft datiere ich auf das Jahr 1985. Mit dem "Rise of Britpop" in den Jahren 95/ 96 kam dann ein Faible für Großbritannien hinzu, ein Land, das nicht nur The Clash, blur, The Smiths, The Beatles und Joy Divisons, nein, auch durchaus beneidenswerte Musikjournalisten hervorgebracht hat. Manch einer von ihnen ist jetzt beim Guardian gelandet, denn Mark Beaumont war früher NME-Schreiber. Allein ein kurzes Durchscrollen macht mir höchste Freude: mir begegnen Serge Gainsbourg, Jane Birkin, Peter Doherty, Brian Wilson und blur. Auch Alan McGee, der rothaarige Creation-Gründer postet hier. Sehr schön ist auch der Glastonbury-Blog.

Montag, 15. Juni 2009

Die Ästheten des Pop



Nerviges Rockstar-Gehabe auf der Bühne war den Pet Shop Boys immer zuwider und das ist auch gut so. Mit ihren Live-Shows schaffen sie Ereignisse: ästhetisch und perfekt inszeniert. So auch bei der Pandemonium-Tour 2009.
Der Auftakt im Stuttgarter Theaterhaus wurde zur umjubelten Rückkehr des Duos in Deutschland. Denn das aktuelle Album „Yes“ war mit einer Nummer-Drei-Platzierung in den deutschen Album-Charts sogar erfolgreicher als in England. Die Show beginnt mit dem "best disco sound and love lyrics song couple ever": "Heart" und "Did you see coming":

I would look around for someone else
but every time I see you
you have the same effect
My heart starts missing a beat

Dass zwischen den beiden Liedern 20 Jahre Pet Shop Boys-Geschichte liegen, mag man kaum glauben, denn dem Image der Band ist eine jugendliche Attitüde inhärent – selbstironischer Maskerade sei Dank.

Die B-Sides der Pet Shop Boys haben ja seit jeher Single-Potenzial, nachzuhören auf dem mittlerweile 14 Jahre alten Klassiker „Alternative“. Bei den letzten Touren wurden sie zu Unrecht vernachlässigt. Diesmal ist das Keyboard-Solo der B-Side „Do I have to?“ einer der schönsten Konzertmomente. Die Konzeption der Pandemonium-Show ist brillant und variiert gekonnt zwischen fulminanten Elektor-Dance-Tracks und ruhig-emotionalen Stücken. Mit der Pandemonium-Tour manifestieren die Pet Shop Boys ihr perfekt inszeniertes Artwork als logische Fortführung ihrer Musik. Hinter jedem Album, jedem Cover, jeder Melodie, jeder Lyricline stecken eben eine Vision – und die Kollaboration mit Super-Producer Brian Higgins von Xenomania hat auf dem neuen Album drei catchy und classy Songs gebracht.

Pop zitiert – die Pet Shop Boys tun es diesmal mit einer Hommage an Coldplays "Vida la vida", visualisiert mit einer großartigen Videoproduktion: der König zieht durch die Straßen Londons.

I used to roll the dice
Feel the fear in my enemy's eyes
Listen as the crowd would sing:
"Now the old king is dead! Long live the king!"

Neils Stimme ist unique (wenn die Technik auch einiges vermasselt) und keinesfalls austauschbar, wie es ein benebelter FAZ-Autor vor ein paar Wochen erdichtet hat. Das Pop-Legendentum der Pet Shop Boys manifestieren die Achtziger-Songs "Left to my own devices" und "Suburbia". Der Abend endet mit dem göttlichen Trio "The way it used to be" (schon jetzt ein instant classic der Pet Shop Boys), "Being boring" und "West end girls". Die Pet Shop Boys haben - wie immer ganz nonchalant - alles richtig gemacht.



Mittwoch, 10. Juni 2009

Digital bohemian like me

Im Café Sankt Oberholz, wo sich die digitale Bohème - ihren Individualismus betonend und den Straßenlärm nonchalant ignorierend - zusammenrottet, wird das gleiche Theaterstück wie in Leipzig aufgehört, allein mit einem größeren Ensemble. Und weil Leipzig jetzt auch in Berlin Theater macht, wird heute abend "Cosmic Fear" von Regisseurin Mareike Mikat am Maxim Gorki Theater in Berlin gegeben. Mein Lieblingsschauspieler des Centratheaters, Holger Stockhaus, spielt auch mit. Ich bin betrübt, dass ich Berlin bereits in einer Stunde wieder verlasse und dem Abend nicht beiwohnen kann. Aber dafür haben wir in Leipzig unsere "Idioten"-Inszenierung mit Pinkeln und Porno-Stars. Nur noch zwei Wochen Geduld....

Montag, 8. Juni 2009

hanging around with paris syndrom at the lakeview hotel

Neulich abend stellten meine Freunde und ich fest, dass es in Leipzig nur eine Handvoll Bars gibt, in die wir gern ausgehen. Das Cantona ist mein liebstes Café - hier gehe ich tagsüber hin, wenn die Sonne scheint, sitze auf den Holzbänken und schaue den vorbeiradelnden Menschen hinterher, die auf der Windmühlenstraße unterwegs sind. Abends trinken wir hier Gin Tonic und Ur-Krostitzer. Ich freue mich jedes Mal diebisch, wenn dort Fußball gezeigt wird - leider vermisse ich bei meiner Leipziger Community jegliche Ballsport-Affinität.
Auch das Hotel Seeblick ist durchaus eine zehnminütige Fahrradfahrt von meiner Wohnung aus wert, wenngleich die Kellner hier den Moscow Mule mit erhabener Gleichgültigkeit servieren. Doch der Indiepop, der im Hintergrund läuft, macht die Gelangtweiltheit des Personals wett.
Selten bin ich zur Zeit in der Nato. Ich liebe die Außenansicht mit der Leuchttafel, auf der Konzerte und Filme angekündigt werden. Der verqualmte Innenrein ist vielen meiner Freunde ein Graus - deswegen sind Besuche im Winter rar.
Elegant ist das Paris Syndrom mit seinen Louis-Viutton-Sitzen und der gigantischen Glasfront. Ich bewundere die Namensgeber, da ich schon immer ein Faible für jegliche Art von Syndromen hatte.
Die Schauspieler von Centraltheater und Skala treffen sich in der Kneipe vor der Skala, die den Namen Kneipe von all meinen hier erwähnten Kandidaten als einzige verdient. Sie befindet sich in der Gottschedstraße und ist neben der Barcelona die beste und einzige Wahl in dieser Straße. Hier saßen schon illustre Gäste wie Blixa Bargeld, Matias Faldbakken und Mia Ming.

Montag, 1. Juni 2009

true blue

Madonna ist eine meiner erste popkulturelle Erinnerung. Ich war acht Jahre alt und spielte ihre beiden Alben "True blue" und "Like a virgin" auf meinem weißen Walkman, den ich für 20 Mark von meiner Tante bekommen hatte und den ich mit Mickey-Maus-Aufklebern verziert hatte, ab. Natürlich - oder zum Glück - hatte ich keine Ahnung, was der tiefere Sinn der Lyrics des Songs "Like a virgin" war. Denkwürdig war für mich ein Landausflug mit meinen Eltern. In die Bahnhofshalle eines kleinen Ortes waren aus unerfindlichen Grünen Flyer für das Madonna-Konzert im Frankfurter Waldstadion gelangt, die mir achtjährigem Mädchen in die Hände gerieten. Auf dem Flyer war das schwarz-weiße Herb-Ritts-Coverfoto vom True-Blue-Album abgebildet: Madonna in lasziver Pose, den Kopf nach hinten gelegt. Ich spürte den dringenden Wunsch, unbedingt zu diesem Konzert fahren zu müssen. Was ich jedoch niemandem mitzuteilen wagte. Frankfurt war für mich damals so weit weg wie heute New York. Später las ich in der Bravo von Madonna Nackfotos, worauf meine Begeisterung für die Sängerin nachließ. Langsam dämmerte mir auch, wieso Madonna von ihrem ersten Berufswunsch, Nonne zu werden, abgekommen war. Als "Like a prayer" veröffentlicht wurde, kam meine Madonna-Begeisterung schließlich gänzlich zum Erliegen. Schließlich hatte ich schon eine neue musikalische Errungenschaft im Plattenschrank meiner Mutter entdeckt: ein Album mit einer schwarz-weißen Collage aus Fotos und Zeichnungen mit vier Männergesichtern, die mich die nächsten drei Jahre beschäftigen sollten: das Beatles-Album Revolver.

Dienstag, 26. Mai 2009

Adieu Cannes...

Ein glänzendes Festival mit wunderbaren Autorenfilmen geht zu Ende. In Deutschland wird man die Filme erst in den nächsten Monaten sehen, deswegen hier eine Vorschau, was uns hierzulande schon jetzt hoffen lässt. Das weisse Band von Michael Haneke wurde mit der goldenen Palme ausgezeichnet. In Deutschland wird der Film erst im November zu sehen sein. Der streng wirkende und in schwarz-weiß gedrehte Film zeichnet das Bild eines Dorfes in Norddeutschland vor dem ersten Weltkrieg. Nach Woodstock holt Ang Lees Taking Woodstock die Zuschauer, allerdings wird die musikalische Seite des Festivals ausgeblendet, vielmehr wird die Atmosphäre der sechziger Jahre reflektiert, in Deutschland ab September zu sehen. Charlotte Gainsbourg wurde als beste Schauspielerin für ihre Darstellung in Lars von Triers Antichrist ausgezeichnet. Die Dreharbeiten müssen für die fragile Französin eine Tour de Force gewesen sein, schließlich hat von Trier den Film in einer persönlichen Phase der Depression erarbeitet. Die Journalisten wurden nicht müde, die extremen Gewaltdarstellungen des Films zu erwähnen. In Deutschland läuft Antichrist ab September. Quentin Tarantino legte einen flotten Tanz auf dem roten Teppich hin und bescherte Christoph Waltz, dem er die Rolle eines SS-Offiziers in Inglourious Basterds gegeben hatte, die Auszeichnung als bester Schauspieler. Waltz revanchiert sich, um diverse Liebeserklärungen an Tarantino ins Mikrofon zu sprechen. Wo war eigentlich Brad Pitt?

Mittwoch, 1. April 2009

Love will tear us apart


Gestern habe ich Grant Gees Dokumentarfilm "Joy Divison" angeschaut. Jon Savage, den ich vor zwei Wochen in Leipzig lesen hörte, hat daran mitgearbeitet.
Der Film beantwortet vieles, was Control offen lässt. Zum Glück bleibt einem die Performance von Alexandra Maria Lara erspart und man sieht dafür die wahre Annik Honoré.
Sehr beeindruckend. Wenn selbst Ian Curtis' Bandmitglieder nach fast 30 Jahren keine Antwort auf seinen Selbstmord wissen - wer wird es dann je wirklich begreifen können?

Samstag, 10. Januar 2009

Director, Regisseur, Realisateur...

Top 5 verstorbene Regisseure

1. Alfred Hitchcock
2. François Truffaut
3. Jean-Luc Godard
4. Billy Wilder
5. Luis Buñuel

Top 5 lebende Regisseure

1. David Lynch
2. Jean-Luc Godard
3. François Ozon
4. Quentin Tarantino
5. Alejandro González Iñárritu

Mittwoch, 7. Januar 2009

Should I go?

Sollte ich Bob Dylan in der Erfurter Messehalle am 2. April für 60 Euro im Stehen anhimmeln? Oder mir lieber noch einmal I'm not there von Todd Haynes anschauen? Schließlich war Cate Blanchett sagenhaft gut in ihrer Bob-Dylan-Verkörperung.

But me, Im still on the road
Headin for another joint
We always did feel the same,
We just saw it from a different point of view,
Tangled up in blue.

Dienstag, 6. Januar 2009

Wühlen wir mal ein bisschen in der Filmkiste und schauen, was in den kommenden Monaten des Jahres 2009 so daherkommt...

Ab 8. Januar läuft Christian Petzolds ostdeutscher Film noir Jerichow - ein Sujet, das uns Bewohner der neuen Bundesländer natürlich besonders entzückt, weil sich Nina Hoss, Benno Fürmann und André Hennicke (der Mann mit dem markanten Gesicht aus Der alte Affe Angst) in die ostdeutsche Provinz verirrt haben.
In Tom Tykwers The International (Start 12.2.) agiert Armin Müller-Stahl, Liebling des deutschen Feuilletons, warum auch immer. Ich bevorzuge dagegen Clive (Owen) und Naomi (Watts), die beiden Hauptprotagonisten, und werde dem Film wegen Tywkers grandiosen Vorgängern Lola rennt und Heaven eine Chance geben.
Von Gus van Sant mochte ich ja bereits My private Idaho (1991), To die for (1995), Psycho (1998) und Elephant (2003) nicht. Deshalb werde ich Milk (19.2.) mit Josh Brolin und Sean Penn bestimmt auch nicht anschauen, der Plot klingt todlangweilig (im San Francisco der 70er gibt Harvey Milk aka Sean Penn einen Politiker, der sich für die Gleichberechtigung von Homosexuellen einsetzt).
Allein der Titel RocknRolla klingt fantastisch, allerdings bin ich bei Guy Ritchie trotzdem etwas skeptisch. Warten wir den 19. März ab und lasssen uns dann überraschen oder enttäuschen.
Brauchts das? Benicio del Toro als Che Guevara? Ein weiterer Versuch nach den Motorcycle Diaries von 2004, vom bekanntesten Revoluzzer aller Zeiten zu erzählen, diesmal tut's Steven Soderbergh in The Argentine ab 26. März, basierend auf Guevaras Memoiren.

Sonntag, 4. Januar 2009

Yet something is different, are we falling in love?


Foto: Milesbehindyou

Warum ich Twin Peaks so erstaunlich finde? Weil es 13 Jahre, nachdem ich es zum ersten Mal wahrnahm, keineswegs seine Faszination verloren hat. Weil es mich vom ersten Bild an, in dem die Nachtigall auf einem Zweig sitzt und der erste Ton der melancholischen Badalamenti-Musik erklingt, in einen Sog zieht, aus dem man gar nicht oder wenn doch, als gewandelte Person herauskommt. Weil es mich in eine Parallelwelt eintauchen lässt, die real und phantastisch erscheint, die einen gefangen nimmt und nicht mehr loslässt. Ich verliebte mich in die Protagonisten und beobachtete sie voller Zuneigung beobachte: James und Donna, die sich verlieben, Cooper mit seiner kindlichen Freude am Leben in Twin Peaks in seinem holzgetäfelten Hotelzimmer, die Femmes fatales Laura, Audrey und Norma, allesamt entrückte und verführerische Filmdiven des Film noir, schöner als die Wirklichkeit, mit Stil und Klasse, die aus unerfindlichen Gründen in einem Kaff namens Twin Peaks gelandet sind. Die sphärische Musik, die jede Alltagsszene zu einem Kunstwerk stilisiert. Das einheitliche Universum, der geschlossene Raum, die Orte, die mir vertraut sind, als wäre ich selbst dort gewesen, als hätte ich im Double R Kaffee getrunken, als hätten wir an der Bar des düsteren Roadhouse ein Bier getrunken und der zauberhaften Julee Cruises gelauscht, als wären wir neben dem Wasserfall gestanden und hätte sein Rauschen gehört...

Samstag, 3. Januar 2009

Termine, Termine

the audience // 9 // freitag // ilses erika
die hits des jahres // 10 // samstag // ilses erika
tele - typen - trendtendenzen - das live-magazin mit tobias rentzsch // 13 // dienstag // ilses erika
ja, panik // 22 // donnerstag // skala
jerichow // 22, 25, 26, 27 // nato
locas in love // 31 // samstag // horns erben oder paris bar