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Sonntag, 19. Juli 2009

Thomas Bernhard zum Georg-Büchner-Preis

„Es gibt nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man den Tod denkt....Das Problem ist, mit der Arbeit fertig zu werden, und das heißt, mit dem inneren Widerwillen und mit dem äußeren Stumpfsinn...das heißt, über mich selbst und über Leichen von Philosophien geh’n, über die ganze Literatur, über die ganze Wissenschaft, über die ganze Geschichte, über alles...es ist eine Frage der Geisteskonstitution und der Geisteskonzentration und der Isolation, der Distanz...der Monotonie...der Utopie...der Idiotie...Das Problem ist immer, mit der Arbeit fertig zu werden, in dem Gedanken, nie und mit nichts fertig zu werden..., es ist die Frage: weiter, rücksichtslos weiter, oder aufhören, schlußmachen...es ist die Frage des Zweifels, des Misstrauens und der Ungeduld.“ (Thomas Bernhard: Meine Preise)

Samstag, 18. Juli 2009

Resümee nach der ersten Saison



"Dieses Theater schlägt Wunden, es schlägt zu, es nimmt sich, wenn es mal einen Augenblick nichts zu sagen weiß, laute Musik zu Hilfe, es will den knallharten, klaren, konzisen Konflikt mit der Realität und dem Publikum" schreibt die Frankfurter Rundschau. Und: "Es lohnt sich wieder in Leipzig ins Theater zu gehen", urteilt die taz. Die erste Saison des Intendanten ist zu Ende. Sebastian Hartmanns Neuausrichtung der bislang überregional unbedeutenden Leipziger Theaterszene hat sich nach Saisonschluss bis nach Frankfurt, Berlin, München und Zürich herumgesprochen. Theater war für mich meist eine konventionelle Abendunterhaltung. Doch mit dem neuen Centraltheater und der Skala lernte ich etwas kennen, das mir bislang fremd gewesen war. Eine Art, Stücke zu zerfleddern und in einer Weise zu inszenieren, dass sie wenig bis gar nichts mit dem Textkorpus zu tun haben, den der Dramatiker einst erdachte. Ich erlebte peinlich Augenblicke, in denen man sich für die Selbstentblößung der Bühnenschauspieler fremdschämte. Doch ich erlebte Emotionen, die ich sonst nur aus dem Kino und dem Konzert kenne.

Sonntag, 5. Juli 2009

Der schale Ruhm des Kultregisseurs Tarantino

Michael Haneke spricht mir aus der Seele, wenn er in der heutigen Süddeutschen Zeitung mit Kultfilm-Klassikern hart ins Gericht geht: "Das Mainstream-Kino entrealisiert, überdreht und ironisiert Gewalt. Pulp Fiction ist dafür ein Musterbeispiel. Wenn da der Kopf weggeblasen wird, herrscht ein Riesengelächter im Saal. Das ist perfekt gemachter Zynismus im Dienste der Verkaufbarkeit". Genau dies ist – treffend formuliert – der Punkt, der mir bei Tarantinos Filmen wie Kill bill I und II sowie From dusk till dawn seit Jahren auf den Geist geht.

In erster Linie bedienen diese Filme rein kommerzielle Interessen. Selbstverständlich sind auch Autorenfilmer auf ihr Publikum angewiesen. Allerdings hat Quentin Tarantino das, was man in Pulp Fiction noch frisch und aufregend fand, in seinen darauffolgenden Filmen – und hier seien exemplarisch Kill bill I und II genannt – massentauglich perfektioniert und ein Kino der Oberflächlichkeit geschaffen. Tarantino setzt auf Effekt und Krawall: ohne Seele, ohne Botschaft, ohne Reflektion. Er schafft keine Charaktere, erzählt keine Geschichte und widersetzt sich allen Regeln der Autorenfilmer.

Seine Filme ziehen Referenzen zu Kung-Fu- und Trash-Movies. Das Resultat: ein wirrer Brei aus Zitaten und Stimmungen. Welche Botschaft will er dem Zuseher vermitteln? Scheinbar die der kommerziellen Endlosverwertung des Sujets der zynisch dargestellten Gewalt, das Tarantino bei Pulp Fiction noch die Goldene Palme in Cannes brachte und mit dem er seitdem die Kinoleinwand zuballert.

Tarantino war nie ein Autorenfilmer im Sinne eines Truffauts, eines Hitchcocks, eines Sirks, eines Lynchs, eines Godards, eines Wenders, eines Hanekes, eines von Triers, eines Fellinis oder eines Buñuels. All diese Filmregisseure haben Geschichten erzählt und eine eigene Filmsprache entwickelt. Tarantino ist und bleibt lediglich ein ohne Frage filmbesessener Regisseur, der es versteht, unter dem Deckmäntelchen des Autorenfilmers massenkompatibles Kommerzkino in Werbefilmästhetik zu produzieren und die niedrigen Instinkte der Masse mit blutbesudelten Hochglanzbildern zu bedienen.

Kino à la Tarantino ist für Menschen, die nicht reflektieren, sondern konsumieren. Sein ständig wiederkehrendes Erfolgsmotiv ist die extreme und gewiss ästhetisierte Gewaltdarstellung, die vom Zuschauer gleichsam einer Slapstick¬-Einlage absolut vorhersagbar mit Sich-auf-die-Schenkel-Klopfen-und-vor-Lachen-Krümmen goutiert wird. Gerade deswegen ist Tarantino alles andere als innovativ, sondern ähnelt vielmehr den Coca-Cola-Produzenten, die ihre höchst erfolgreiche Brause mal mit Cherry anreichern, mal mit und mal ohne Koffein anbieten und ihren Verkaufsschlager einem unkritischen Publikum in sämtlichen Geschmacksrichtungen in den Rachen gießen. Hauptsache, das Zeug wird gesoffen.

Freitag, 3. Juli 2009

blur are back and oasis are dead

Die größte Band des Britpops begegneten mir das erste Mal im Zimmer meines Bruders. Es war das Jahr 1994. An seiner Holztür hing ein Poster, auf dem ein Mann auf einem Holzparkettboden lag. Neben ihm stand ein Glas Rotwein. Hinter ihm saß, ein wenig kleiner als der Liegende, ein weiterer Mann, der Gitarre spielte, auf einem Sofa. Drei weitere Männer lungerten ebenfalls in diesem Raum herum. "Ist das alt?", fragte ich naiv-dumm meinen Bruder, da mein erster Gedanke war, dass es sich um Plakat aus den sechziger Jahren handle. Er verneinte. Das war wohl meine erste Begegnung mit Retro - und oasis. Mit voller Wucht eroberten Liam, Noel und Co. mein Herz in den nächsten Jahren. 1996 dann der Besuch des oasis-Konzerts in der Messehalle in München-Riem. Bei Champagne Supernova stand ich überwältigt in der Masse - das war Britpop at its peak und ich befand mich mittendrin. Nach dem Konzert kauften wir hellblaue oasis-Shirts, die wir wochenlang trugen, spöttisch beäugt von diversen Klassenkameraden - ein Verhalten, das mir bis heute rätselhaft bleibt. All diese Eskapaden gipfelten 1997 in einem Besuch im Londoner Stadtteil Primrose Hill und mehrstündigem Herumlungern vor Noels luxuriösem Stadthaus und dem stolzen Ergattern eines Autogramms, das meine Freundin Babsy wie eine Trophäe davontrug. Wonderwall geht mir bis heute unter den all den Liedern am nähesten, immer noch - wenn ich das Video anschaue, fühlt sich mein Kopf, mein Herz, mein Körper wieder an wie 1996. Und jetzt haben wir 2009, genauer gesagt den 3. Juli, und es ist der Tag, an dem die wiedervereinigten blur ihr zweites Comeback-Konzert in London geben. Und wo sind oasis? Verschwunden im Orkus der Musikgeschichte. Ich bin geläutert. Niemals hätte ich 1995 gedacht, dass blur mich einmal mehr berühren würden als oasis. Doch heute ist es so. Think tank war 2003 mein absolutes Lieblingsalbum. blur spielten die zugehörige Tour und traten im Metropole Lausanne auf. Ich war zu Tode betrübt, da ich kein Ticket mehr bekam. Out of time, On the way to the club, Battery in your leg und Good song waren einfach so unglaublich gut, weil sie Manifeste des schönsten Liebeskummers und des Stadiums der größten Verliebtheit waren. blur sind zurück - die größte Band diesseits und jenseits von Britpop. Britpop war nur eine Phase ihrer Bandgeschichte. Für oasis markierte das Ende von Britpop auch das Ende ihrer Großartigkeit.