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Sonntag, 21. März 2010

Überwiegend weiblich

Die Leipziger Buchmesse war dieses Jahr in meinem Fall überwiegend weiblich, denn zwei besonders interessante Lesungen waren die von Elisabeth Rank und Hertha Müller. Beide betrachten die Welt voller Empfindsamkeit. Müllers Erfahrungen erscheinen wie aus einer weit entfernten Welt. Das Arbeitslager steht im Mittelpunkt ihrer Romane "Atemschaukel" und "Niederungen", aus denen sie Auszüge las. Müller, die schwarzgewandete Künstlerin mit ogliagatorischem roten Lippenstift, wirkt wegen ihrer zwiegespaltenen Persönlichkeit, eine Mischung aus Zerbrechlichkeit und Stärke, hochgradig faszinierend. Da ist die verschämte Verneigung, das Wegschleichen hinter den roten Vorhang vor dem ausverkauften Centraltheater, das von Scheuheit zeugt. Und da ist andererseits die enorme Passion und Vitalität im Gespräch. Bisweilen scherzt sie, doch Schwermut zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Ihre Qualität ist die Verschmelzung mit dem Leid der von ihr erfundenen Personen.

Müllers Lebensthema ist ihr Leben in der rumänischen Diktatur. Die Mutter war selbst im Arbeitslager. Die Erlebnisse des rumänischdeutschen Dichters Oskar Pastior inspirierten ihr Werk nachhaltig. Als Jugendliche entdeckte sie die Literatur. Wenn sie von der Unmöglichkeit erzählt, sich nach der Lektüre von Thomas Bernhard weiterhin in ihr banatschwäbisches Dorf in Rumänien zu integrieren, dann verstehen wir die Ausweglosigkeit, in der sie sich befunden haben muss. Wie schön, dass sie das Leipziger Publikum 2010 an ihrer Weltsicht und ihrem literarischen Schaffen teilhaben ließ.

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