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Montag, 30. November 2009

Listomania Teil 2

Das Listen-Ding hat ja bekanntermaßen verschiedene Epochen durchschritten. Bei Nick Hornbys "High fidelity" war es ein Nerd-Hobby, um die eigene Meinungsstärke zu demonstrieren. Irgendwann kam RTL und zerrte die Listomania mit Shows wie "Die zehn besten TV-Vollidioten" in den Prolo-Mainstream. Trotz allem schätze ich die Ordnungsfunktion von Listen. Justament fiel mir die Zeitschrift Sounds des Rolling Stone in die Hände, in der 250 Meisterwerk aus fünf Jahrzehnten aufgetafelt werden.
Hier das Resultat für die Nuller Jahre:
1. The Strokes: Is this it
2. Antony and the Johnsons: I am a bird now
3. Arcade Fire: Funeral
4. The white stripes: Elephant
5. Franz Ferdinand: Franz Ferdinand
6. Coldplay: A rush of blood to the head
7. Amy Winehouse: Back to black
8. Wilco: Yankee Foxtrott Hotel
9. The Streets: A grand to come for free
10. Gorillaz: Gorillaz

Mein Kommentar dazu: Platz eins geht absolut in Ordnung. Die Plätze 2 bis 3 dagegen gar nicht. Völlig unverständlich ist mir auch, wie man Gorillaz erwähnen, blurs um Längen besseres Album Think tank dagegen ignorieren kann. Auf Platz 4 gehören statt den White Stripes die Libertines, die es lediglich auf Platz 11 geschafft haben.

Sonntag, 22. November 2009

Lisztomania Teil 1 - Konzert im Berliner Huxley's

An manchen Abenden bin ich die Inkarnation einer Anti-Konzertgängerin. Das Gedränge ist mir zu dicht, die Schlange an Garderobe und Bierstand zu lang, die Luft zu stickig, die Zwischenräume zwischen den Menschen zu eng. Und der Gipfel aller Übel: Die Live-Musik klingt wie eine verwaschen-dröhnende Version der Platte. Ich erinnere mich leidvoll an die neunziger Jahre, als oasis in der Münchner Olympiahalle einen dröhnenden Gitarrenmatsch über dem Publikum ausgossen, der jegliche Melodik der Platte entbehrte. Ich wünschte mich sehnlichst in mein Wohnzimmer an den Platten- oder CD-Spieler.
An anderen Abend verwandle ich mich in eine elektrisierte Konzertgängerin, überzeugt, genau in dieser Sekunde am richtigen Ort auf der Erde zu sein und eines der brillantesten Konzerte des Jahres zu erleben. So wie am Samstagabend im Berliner Huxleys, als die ersten Takte von „Lisztomania“ erklangen: eine Nacht mit french pop music von Phoenix für die Ewigkeit.
Phoenix werden eines Tages als Ikonen des Indie-Pops der Nuller Jahre in die Musikwissenschaft eingehen. Die französischen Indie-Darlings aus Versailles schaffen einen unvergleichlich glasklaren Sound und zelebrieren ihre Live-Gigs meisterhaft, was sie bereits im Mai diesen Jahres im Berliner Berghain bewiesen. Keine Star-Attitüde, keine großen Gesten – nur 80 Minuten Konzert, umrahmt vom besten Song "Lisztomania" bis zum zweitbesten Song "1901" des letzten Albums "Wolfgang Amadeus Phoenix". Dazwischen: eine Akustik-Gitarren-Version von "Everything is everything", "Rome", "Fences", "Too young", "If I ever feel better", "Long distance call", "Rally" - mon dieu, merveilleux! Das Publikum hebt förmlich ab. Keine Frage, dass auch ein Geburtstagslied für Thomas Mars auf Wunsch seiner Bandmitglieder gesungen wird. Ach so: im Tour-Blog wird verraten, was der Gute an seinem schönsten Tage des Jahres noch gemacht hat.
Phoenix verehrt man, weil sie einen eigenen französisches Musikkosmos konzipiert haben, der seine Universalität in Nachbarschaft zu Gainsbourg und Daft Punk entfaltet.
Nonchalant post-musikalische Gesten unterstreichen den grundsympathischen Phoenix-Habitus. Beim letzten Lied holt Sänger Thomas Mars mal eben einen Teil des Publikums auf die Bühne. Die Jungs und Mädchen tollen so ausgelassen herum, dass ich vor Begeisterung ebenfalls gleich mittanze. Zum Ausklang erklingt klassische Musik – eine Aurevoir mit Stil.

Montag, 16. November 2009

Christmas is coming closer

Ratzfatz bin ich in Weihnachtsstimmung reingeschlittert. Liegt nur an einem: Der Weihnachts-EP der Pet Shop Boys mit dem schönsten Cover seit "White Christmas", jetzt schon zu pre-ordern. Ich hör schon die Glöckchen läuten, denn ta-ta: es gibt eine neue Version von It doesn't often snow at Christmas und natürlich von All over the world. Na dann: Let it snow.

Donnerstag, 5. November 2009

Histoire du cinéma

„Das Kino nach meiner Vorstellung oder meinem Wunsch
und meinem Unbewussten, das sich jetzt bewusst ausdrücken lässt,
ist die einzige Art und Weise, etwas zu machen, zu erzählen, sich Rechenschaft abzulegen, dass ich als Ich eine Geschichte habe,
aber dass, wenn es kein Kino gäbe, ich nicht wüsste, dass ich eine Geschichte habe“ (Jean-Luc Godard, Histoire(s) du cinéma)

Wenn das Truffaut noch erlebt hätte... gerade habe ich mir ein Werk aus dem Suhrkamp-Verlag gekauft, das wahrscheinlich das reduzierteste Cover seit langem hat, das so schön ist, das man darin versinken möchte. Jean-Luc "Filmgott" Godard erzählt darin die Geschichte oder die Geschichten des Kinos: "Das Kino ist eine Idee des 19. Jahrhunderts, die ein Jahrhundert gebraucht hat, um sich zu verwirklichen und zu verschwinden".

Montag, 2. November 2009

In der Fremde verloren

Auch wenn der Dokumentarfilm bisher eher ein mir fremdes Genre war, so habe ich es in der vergangenen Woche auf dem 52. Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm durchaus schätzen gelernt. Der Film Les arrivants von Claudine Bories et Patrice Chagnard wurde von der Jury als bester internationaler Dokumentarfilm ausgezeichnet und tatsächlich schafft er das kleine Kunststück, eine tiefere philosophische Botschaft aus der Dokumentation des auf den ersten Blick langweiligen Alltags einer Pariser Behörde für Asylsuchende zu destillieren.
Ganz im Sinn des vielzitierten Clash of Cultures sieht man das alltägliche Durcheinander in einer Pariser Behörde, in der Menschen aus Afrika und Asien eintreffen, und die Frustration und Hilflosigkeit der Sozialarbeiterinnen angesichts der Unmöglichkeit, mit den Neuankömmlingen zu kommunizieren, zumindest nicht im Behördensprech, den die Gesetze den Sozialarbeitern aufoktroyieren. Sehr subtil wird die Einsamkeit der Ankommenden in der Metrople Paris in der ihnen fremden Kultur gezeigt. Die hilflosen Dolmetschversuche versanden in Sprachlosigkeit.
Gleichzeitig dokumentiert der Film den Kontrast zwischen Auserwählten und solchen, die man am liebten draußen lassen möchte, zumindest aus Europa. Wer sich nicht überzeugend genug als politisch Verfolgter darstellt, der hat keine Chance, die begehrte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Hier geht es nicht um die Gnade der späten Geburt, sondern um die Geburt am richtigen Ort.