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Donnerstag, 25. Juni 2009

Meine illustren Nachbarn

Meine Tränen - das Resultat der Lektüre von Judith Hermanns "Alice" angesichts der Tristesse der unterkühlen, vereinsamten Menschen, die diese Buch bevölkern - waren kaum getrocknet, da erfuhr ich, dass Erich Kästner ebenfalls wie ich in der Hohen Straße in Leipzig gewohnt hat, was mich sehr freut, denn ich habe seine Kinderbücher als Kind geliebt. Sie prägen mein Bild von West-Berlin bis heute. Irgendwie glaube ich immer, dass in Berlin gleich Pünktchen, Anton und Emil um die Ecke kommen. Auch bei der Durchfahrt durch den Bahnhof Nollendorfplatz muss ich immer an Szenarien aus Kästners Büchern denken. Ihm verdanken wir diese zahlreichen liebenswerten Kindergestalten. Er ähnelt darin einem Mann aus dem Filmmetier, François Truffaut, der wunderschöne Kinderfiguren wie Antoine Doinel für die Leinwand erschaffen hat. Truffaut liebte Kinder. Geprägt durch die eigene traurige Kindheit, galt ihnen seine ganze Sympathie. Doch nicht nur in physischer Nähe von Kästner, wenn auch durch einige Jahrzehnte getrennt, hatte ich geschlafen, gegessen, gelesen, gewaschen, nein, auch Alexander Osang wohnt einst wie ich im Wohnheim in der Johannes-R.-Becher-Straße und ich vermute fast, dass sich an dem Plattenbau von der DDR zur Zeit nach der friedlichen Revolution wenig geändert hat.

Dienstag, 23. Juni 2009

Ich kenne das Leben, ich bin im Theater gewesen

Bedauerlicherweise neigt sich die erste Saisons der Intedanz von Sebastian Hartman am Leipziger Centraltheater dem Ende. Noch bis 11. Juli kann man Theaterstücke besuchen, ab 5. Juli läuft allerdings nur noch "Genie und Verbrechen" am Gohliser Schlösschen. Für mich war es eine absolut neue Erfahrung, die Art von Bühnenspiel zu sehen, die Hartmann inszeniert, und keine der Vorstellungen, sei es die "Publikumsbeschimpfung", "Eines langen Tages Reise in die Nacht", "Macbeth", "Arsen und Spitzenhäubchen" hat mich kalt gelassen, sondern vielmehr wütend, fröhlich, verärgt, traurig oder bestürzt geamcht. Aufregender fand ich die Inszenierungen an der Skala: "Maschinenwinter" und "Night of the nerds" waren beeindrucken - nächste Woche werde ich mir die "Idioten" ansehen. Wieso nur ein verschwindend geringer Teil der Studentenschaft den Weg ins Theater fand - diese Frage kann ich nicht beantworten. Traurig finde ich es trotzdem.

Dienstag, 16. Juni 2009

Popland and its media

Schon seit einer ganzen Weile liebe ich Popmusik. Den Beginn dieser Leidenschaft datiere ich auf das Jahr 1985. Mit dem "Rise of Britpop" in den Jahren 95/ 96 kam dann ein Faible für Großbritannien hinzu, ein Land, das nicht nur The Clash, blur, The Smiths, The Beatles und Joy Divisons, nein, auch durchaus beneidenswerte Musikjournalisten hervorgebracht hat. Manch einer von ihnen ist jetzt beim Guardian gelandet, denn Mark Beaumont war früher NME-Schreiber. Allein ein kurzes Durchscrollen macht mir höchste Freude: mir begegnen Serge Gainsbourg, Jane Birkin, Peter Doherty, Brian Wilson und blur. Auch Alan McGee, der rothaarige Creation-Gründer postet hier. Sehr schön ist auch der Glastonbury-Blog.

Montag, 15. Juni 2009

Die Ästheten des Pop



Nerviges Rockstar-Gehabe auf der Bühne war den Pet Shop Boys immer zuwider und das ist auch gut so. Mit ihren Live-Shows schaffen sie Ereignisse: ästhetisch und perfekt inszeniert. So auch bei der Pandemonium-Tour 2009.
Der Auftakt im Stuttgarter Theaterhaus wurde zur umjubelten Rückkehr des Duos in Deutschland. Denn das aktuelle Album „Yes“ war mit einer Nummer-Drei-Platzierung in den deutschen Album-Charts sogar erfolgreicher als in England. Die Show beginnt mit dem "best disco sound and love lyrics song couple ever": "Heart" und "Did you see coming":

I would look around for someone else
but every time I see you
you have the same effect
My heart starts missing a beat

Dass zwischen den beiden Liedern 20 Jahre Pet Shop Boys-Geschichte liegen, mag man kaum glauben, denn dem Image der Band ist eine jugendliche Attitüde inhärent – selbstironischer Maskerade sei Dank.

Die B-Sides der Pet Shop Boys haben ja seit jeher Single-Potenzial, nachzuhören auf dem mittlerweile 14 Jahre alten Klassiker „Alternative“. Bei den letzten Touren wurden sie zu Unrecht vernachlässigt. Diesmal ist das Keyboard-Solo der B-Side „Do I have to?“ einer der schönsten Konzertmomente. Die Konzeption der Pandemonium-Show ist brillant und variiert gekonnt zwischen fulminanten Elektor-Dance-Tracks und ruhig-emotionalen Stücken. Mit der Pandemonium-Tour manifestieren die Pet Shop Boys ihr perfekt inszeniertes Artwork als logische Fortführung ihrer Musik. Hinter jedem Album, jedem Cover, jeder Melodie, jeder Lyricline stecken eben eine Vision – und die Kollaboration mit Super-Producer Brian Higgins von Xenomania hat auf dem neuen Album drei catchy und classy Songs gebracht.

Pop zitiert – die Pet Shop Boys tun es diesmal mit einer Hommage an Coldplays "Vida la vida", visualisiert mit einer großartigen Videoproduktion: der König zieht durch die Straßen Londons.

I used to roll the dice
Feel the fear in my enemy's eyes
Listen as the crowd would sing:
"Now the old king is dead! Long live the king!"

Neils Stimme ist unique (wenn die Technik auch einiges vermasselt) und keinesfalls austauschbar, wie es ein benebelter FAZ-Autor vor ein paar Wochen erdichtet hat. Das Pop-Legendentum der Pet Shop Boys manifestieren die Achtziger-Songs "Left to my own devices" und "Suburbia". Der Abend endet mit dem göttlichen Trio "The way it used to be" (schon jetzt ein instant classic der Pet Shop Boys), "Being boring" und "West end girls". Die Pet Shop Boys haben - wie immer ganz nonchalant - alles richtig gemacht.



Mittwoch, 10. Juni 2009

Digital bohemian like me

Im Café Sankt Oberholz, wo sich die digitale Bohème - ihren Individualismus betonend und den Straßenlärm nonchalant ignorierend - zusammenrottet, wird das gleiche Theaterstück wie in Leipzig aufgehört, allein mit einem größeren Ensemble. Und weil Leipzig jetzt auch in Berlin Theater macht, wird heute abend "Cosmic Fear" von Regisseurin Mareike Mikat am Maxim Gorki Theater in Berlin gegeben. Mein Lieblingsschauspieler des Centratheaters, Holger Stockhaus, spielt auch mit. Ich bin betrübt, dass ich Berlin bereits in einer Stunde wieder verlasse und dem Abend nicht beiwohnen kann. Aber dafür haben wir in Leipzig unsere "Idioten"-Inszenierung mit Pinkeln und Porno-Stars. Nur noch zwei Wochen Geduld....

Montag, 8. Juni 2009

hanging around with paris syndrom at the lakeview hotel

Neulich abend stellten meine Freunde und ich fest, dass es in Leipzig nur eine Handvoll Bars gibt, in die wir gern ausgehen. Das Cantona ist mein liebstes Café - hier gehe ich tagsüber hin, wenn die Sonne scheint, sitze auf den Holzbänken und schaue den vorbeiradelnden Menschen hinterher, die auf der Windmühlenstraße unterwegs sind. Abends trinken wir hier Gin Tonic und Ur-Krostitzer. Ich freue mich jedes Mal diebisch, wenn dort Fußball gezeigt wird - leider vermisse ich bei meiner Leipziger Community jegliche Ballsport-Affinität.
Auch das Hotel Seeblick ist durchaus eine zehnminütige Fahrradfahrt von meiner Wohnung aus wert, wenngleich die Kellner hier den Moscow Mule mit erhabener Gleichgültigkeit servieren. Doch der Indiepop, der im Hintergrund läuft, macht die Gelangtweiltheit des Personals wett.
Selten bin ich zur Zeit in der Nato. Ich liebe die Außenansicht mit der Leuchttafel, auf der Konzerte und Filme angekündigt werden. Der verqualmte Innenrein ist vielen meiner Freunde ein Graus - deswegen sind Besuche im Winter rar.
Elegant ist das Paris Syndrom mit seinen Louis-Viutton-Sitzen und der gigantischen Glasfront. Ich bewundere die Namensgeber, da ich schon immer ein Faible für jegliche Art von Syndromen hatte.
Die Schauspieler von Centraltheater und Skala treffen sich in der Kneipe vor der Skala, die den Namen Kneipe von all meinen hier erwähnten Kandidaten als einzige verdient. Sie befindet sich in der Gottschedstraße und ist neben der Barcelona die beste und einzige Wahl in dieser Straße. Hier saßen schon illustre Gäste wie Blixa Bargeld, Matias Faldbakken und Mia Ming.

Montag, 1. Juni 2009

true blue

Madonna ist eine meiner erste popkulturelle Erinnerung. Ich war acht Jahre alt und spielte ihre beiden Alben "True blue" und "Like a virgin" auf meinem weißen Walkman, den ich für 20 Mark von meiner Tante bekommen hatte und den ich mit Mickey-Maus-Aufklebern verziert hatte, ab. Natürlich - oder zum Glück - hatte ich keine Ahnung, was der tiefere Sinn der Lyrics des Songs "Like a virgin" war. Denkwürdig war für mich ein Landausflug mit meinen Eltern. In die Bahnhofshalle eines kleinen Ortes waren aus unerfindlichen Grünen Flyer für das Madonna-Konzert im Frankfurter Waldstadion gelangt, die mir achtjährigem Mädchen in die Hände gerieten. Auf dem Flyer war das schwarz-weiße Herb-Ritts-Coverfoto vom True-Blue-Album abgebildet: Madonna in lasziver Pose, den Kopf nach hinten gelegt. Ich spürte den dringenden Wunsch, unbedingt zu diesem Konzert fahren zu müssen. Was ich jedoch niemandem mitzuteilen wagte. Frankfurt war für mich damals so weit weg wie heute New York. Später las ich in der Bravo von Madonna Nackfotos, worauf meine Begeisterung für die Sängerin nachließ. Langsam dämmerte mir auch, wieso Madonna von ihrem ersten Berufswunsch, Nonne zu werden, abgekommen war. Als "Like a prayer" veröffentlicht wurde, kam meine Madonna-Begeisterung schließlich gänzlich zum Erliegen. Schließlich hatte ich schon eine neue musikalische Errungenschaft im Plattenschrank meiner Mutter entdeckt: ein Album mit einer schwarz-weißen Collage aus Fotos und Zeichnungen mit vier Männergesichtern, die mich die nächsten drei Jahre beschäftigen sollten: das Beatles-Album Revolver.