-->

Samstag, 2. Januar 2010

Die größten Alben der Nuller Jahre



Zeit, ein Resümee zu ziehen: Was waren die besten Langspielplatten der Nuller Jahre? Was war aufregend, inspirierend, grandios, neu, punkrockig? Hier meine personal Top Ten:

1. The Strokes: Is this it (2001)
Last nite war für mich der Dancefloor-Hit des Jahres 2001. Ich kam aus den USA, das World Trade Center war zerstört worden und wir tanzten in der Indie-Großraumdisco zu diesem Knaller und fühlten uns lebendig wie noch nie. Die Strokes lösten mit ihrem Album eine Welle der Indierockbands aus, die man in den Jahren vorher vergeblich gesucht hatte. Dafür gebührt ihnen ewiger Dank.

2. The Libertines: Up the bracket (2002)
Die Band schaffte es, Romantik, Verwegenheit und Punkrock auf einem Album zu verewigen. Wenn man sich heute an die Libertines erinnert, fällt vor allem auf, dass das Kollektiv die Person Pete Doherty überstrahlte. Inzwischen ist die Band passé, das geniale Songwritertum Dohertys bleibt aber bestehen. Zu Recht.

3. Pet Shop Boys: Yes (2009)
Kurz vor Schluss der Nuller Jahre veröffentlichen die Pet Shop Boys ihr bestes Album seit Very. Über 50 mussten sie werden, um so ein Meisterwerk rauszubringen.

4. Phoenix: Alphabetical (2004)
In jedem Indie-Café lief 2004 "Everything is everything" in Dauerrotation, das erste Lied, das mich in Verbindung mit meiner heutigen Lieblingsgruppe aus Frankreich brachten. Macht mir immer noch eine Gänsehaut, wenn ich es heute höre.

5. Justin Timberlake: Jusitified (2001)
Zunächst überlegte ich damals kurz, ob ich dieses Album in meine persönlichen Guilty Pleasures einordnen soll. Nach kurzem Zögern konnte ich diesen Gedanken mit einem entschiedenen Nein verwerfen. Dieses Album ist so was von tanzbar, melodisch und lässig, dass einem die Ex-Mitgliedschaft Timberlakes bei N'Sync (und ich ja in den neunzigern Jahren gern mal N'Sync hörte) nicht weiter stört. Weiß eigentlich irgend jemand, was dieser bescheuerte Bandname bedeutet? Noch toller fand ich Timberlake wegen seiner Liaision mit Cameron Diaz...

6. The Good the Bad & the Queen: The Good the Bad & the Queen (2007)
Damon Albarn ist für mich so was wie PaulMcCartney und Bob Dylan. Irgendwie werden die drei nie weg sein. Zum Glück, denn ich halte das göttliche Trio für unverzichtbar. Mit "The Good the Baed & The Queen" schuf Albarn wieder mal ein Meisterwerk. "Zugänglich ohne banal zu sein" schrieb die Zeitschrift Q mal über blur. Trifft auch auf Albarns Sidproject zu.

7. Amy Winehouse: Back to black (2006)
Ich bin eigentlich kein Fan von singenden Frauen in der Popkultur und weiß, dass ich damit mein eigenes Geschlecht diskriminiere. Einige Ausnahmen gibt es dennoch: Aretha Franklin, Justine Frischmann, Debbie Harry und Amy Winehouse. Die letzte ist für mich die Stimme der Nuller Jahre. Auch wenn sie sich noch mehr Tattoos stechen lässt und drei Crackpfeifen auf einmal raucht: unerreichbar.

8. Franz Ferdinand: Franz Ferdinand (2004)
Manche Bands haben mich nur ein Album lang begeistert. Aber auf diesem richtig. Die Schotten mit dem Namen des 1914 ermordeten österreichischen Thronfolgers sind so eine Band. Ihre ulkige Lyric-Line "Ick heiße superfantastisch, ich trinke Wodka mit Lachsfisch" geht mir manchmal durch den Kopf und dann muss ich immer lächeln. Noch fünf Jahre später nach dem Jahr, in dem FF so groß waren wie nachher nie wieder.

9. Vampire Weekend: Vampire Weekend (2008)
Simon & Garfunkel fand ich ja mit 13 ganz toll und Vampire Weekend lösen bei mir ein ähnliches Feeling aus, ohne die Betulichkeit, die S & G verbreiten. Live ein absoluter Euphorieauslöser. Und der bescheuertste Name aller Zeiten.

10. Tocotronic: Tocotronic
Da meine mir selbst auferlegte Regel dieser Top Ten lautet, dass keine Band doppelt auftauchen darf, steht an letzter Stelle nicht das zweite selbstbetitelte Album von "The Libertines" (2004) oder "United" von Phoenix (2000), sondern das - zumindest optisch betrachtet - Äquivalent zum White-Album der Beatles aus der Kompositionsstube meiner liebsten deutschsprachigen Popband namens Tocotronic. "Hi Freaks" war wieder mal eine grandios Hymne der Abgrenzung und bekräftigte den fortwährend erfolgreichen Versuch von Tocotronic, jeglicher Vereinnahmung zu entwischen.

Donnerstag, 31. Dezember 2009

Gloriose Filme und herbe Enttäuschungen 2009

Was waren die Goldstücke?

Platz 1
"(500) days of summer" von Marc Webb ist auf den ersten Blick einmal mehr ein Aufguß des niemals sterbenden Boy-meets-Girl-Filmstoffes, andererseits so reizend und liebevoll umgesetzt wie selten. Die nüchterne Darstellung von Zooey Deschanel korreliert ideal mit der Figur von Summer, aber der eigentliche Star des Ensembles ist Joseph Gordon-Levitt als Tom, der so grandios leidet, das man ergriffen mit ihm fühlt. Und dann trägt er auch noch mein Lieblings-T-Shirt mit The Clashs "London Calling"-Cover. Wunderbar! Der Soundtrack mit The Smiths, Regina Spektor und The Clash ist eh zum Verlieben. Der Film schafft es tatsächlich, den Schmerz, die Freude und die Verzweiflung, die Liebe auslöst, so zu zeigen wie selten in den letzten Kinojahren.
Allein für einen Dialog wie diesen muss man den Film einfach gern haben:

Summer: We've been like Sid and Nancy for months now.
Tom: Summer, Sid stabbed Nancy, seven times with a kitchen knife, I mean we have some disagreements but I hardly think I'm Sid Vicious.
Summer: No I'm Sid.
Tom: Oh, so I'm Nancy...
[Pancakes arrive]
Summer: Let's just eat and we'll talk about it later. Mmm, that is good, I'm really glad we did this. I love these pancakes... what?
[Tom gets up and walks away from the table]
Summer: Tom, don't go! You're still my best friend!


Platz 2
"Alle anderen" von Maren Ade zeigte die Coolness des deutschen Kinos. Bereits mit ihrem Debütfilm "Der Wald vor lauter Bäumen" bewies sie großes Regietalent. Im aktuellen Film ging sie noch professioneller zur Sache. Ades Dialoge sind von umwerfend schlichter Prägnanz, ihre Hauptdarsteller lebensnah, verletzlich, überdreht und herrlich eigensinnig. Mehr von dieser Regisseurin in den nächsten Jahren, die hoffentlich ihrer behutsamen Erzählweise treu bleibt.

Platz 3
"Antichrist" war insgesamt betrachtet eine Zumutung. Und was für eine, halleluja. Szenen mittelalterlich anmutender Foltermethoden werden an traumschöne Sequenzen gereiht. Lars von Trier liefert darin die schönste Eröffnungsszene des Jahres ab. Selten untermalte Händel eine Filmszene besser. Eigentlich unnötig der Hinweis, das nur ein depressiver Charakter einen solchen Film machen kann.

Platz 4
Eigentlich bin ich kein Clint Eastwood-Fan, verneige mich aber trotzdem vor seinem Film "Changeling", der Angelina Jolie (bekam eine Oscar-Nominierung für ihre Rolle der Christine Colins, deren Sohn entführt wird) und John Malkovich glänzen ließ.

Platz 5
"He's just not that into you" ist pures Spaß-Kino. Ohne Jennifer Aniston, Scarlett Johansson, Drew Barrymore und Justin Long wäre der Film von Ken Kwapis wahrscheinlich komplett missraten. Einen Film mit derselben Portion Selbstironie würde ich mir aber trotzdem mal aus Deutschland wünschen.

Platz 6
Von Christian Petzolds Jerichow hatte ich mir viel erwartet und wurde keine Sekunde enttäuscht. Einer der besten deutschen Regisseure.


Platz 7
Lourdes ist der dritte Spielfilm der österreichischen Regisseurin Jessica Hausner und ihr bedächtigstes Werk. Die philosophischen Fragen, die der Film aufwirft, beschäftigen einen noch lange. Sylvie Testud spielt die Hauptrolle grandios.


Wofür hätte man sich den Eintritt 2009 sparen können?

Platz 1

Es hatte schon seinen Grund, warum 87 Jahre lang niemand auf die Idee kam, die Geschichte des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald, die den Held rückwärts altern lässt, zu verfilmen. 2008 wagte sich dann doch David Fincher an The curious case of Benjamin Button. Die erste Stunde des Films ist einschläfernd wie ein Nachmittag im Altenheim. Unklar bleibt die Flucht Benjamins (Brad Pitt) aus New Orleans, die mit seiner Angst vor seiner drohenden Verjüngung und den daraus resultierenden Unmöglichkeit, die Liebe zu Daisy (Cate Blanchett) weiter zu leben, für meine Begriffe unzureichend erklärt wird. Ein Juwel der Kinogeschichte? Allenfalls eine Meisterleistung der Maskenbildner.

Platz 2
Ein verwirrender Plot machen Tom Tykwers ersten Blockbuster The International zu einer unbedeutenden Fußnote seines Filmschaffens.

Platz 3
Der einzige Darsteller in Inglourious basterds, der nuancierte Schauspielkunst in dieser Nazi-Posse bot, war Christoph Waltz - ihm zuzusehen ist eine wahre Freude. Ansonsten hat sich Tarantino von starken Charakteren wie John Travolta, Uma Thurman, Samuel L. Jackon und Bruce Willis in Pulp Fiction allerdings Lichtjahre entfernt. Der Film leidet an der oberflächlichen Charakterisierung seines Personals und ist ästhetisch belanglos. Positiv sind dagegen die wie immer bei Tarantino detailliert und auf den Punkt gebrachten Dialoge.
Fazit: ein schwacher Auteur spielt perfekt mit allen ihm zur Verfügung stehenden Genre-Elementen von Western über Komödie bis Kriegsfilm und beweist große Kreativität bei der Wahl seiner Mordwerzeuge. Tarantino hat sein Pulver verschossen und das schon seit geraumer Zeit.

Platz 4
Ich bin kein Fan der Komödien von Ethan und Joel Coen, obwohl sie ja den Humor der Indie-Kino-Fangemeinde seit Fargo treffen. Thriller (Country for old men) können sie viel besser. Burn after reading hat mich enttäuscht. Ein missraten-plattes Lustspiel: man lässt sich im Kinosaal berieseln, denkt "Könnte schlimmer sein" und trinkt dazu am besten ein paar Bier.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Die große Frustation. Wider den Einschlaf-Journalismus. Eine Polemik.

Es ist mal wieder Zeit, dem Journalismus die Leviten zu lesen. Das Modell der Zeitung als Potpourri von Berichten, die scheinbar zusammenhanglos nebeneinander stehen und allenfalls einen minimalen Ausschnitt der Realität zeigen, ist dysfunktional, denn die Fragmentierung und Zersplitterung des Publikum ist in vollem Gange und wird 2010 rasant fortschreiten. Das Internet-Manifest - Wie Journalismus heute funktioniert ist zwar schon ein paar Monate halt, trotzdem sollte es sich jeder halbwegs seriöse Journalist 2010 hinter die Löffel schreiben.
Regionalzeitungen jenseits von Spiegel, Süddeutscher Zeitung und Zeit gleichen heute reinen Seitenbefüllungsunternehmen, die einen Großteil ihres Inhalts mit dpa-Meldungen abdecken. Rationaler wäre es, wenn dpa täglich einen Mantelteil von acht Seiten produzieren würde und damit alle Regionalzeitungen beliefern würde.

Das Abklappern von Terminen ist der Tod des kreativen publizistischen Geistes. Veröffentlichung von Texten statt Journalismus. Das System krankt am Mangel an Passion, Witz und Verve. Langweile regiert. Eigene Recherche, eine persönliche Haltung des Autors und individuelle Erzählstücke - all das passiert nicht mehr in den Zeitungen mit mittelgroßer Auflage, sondern in der überregionalen Presse, in Zeitschriften und Blogs. In den Feuilletons der Regionalzeitungen werden Berichte lieblos durcheinandergeschmissen und gemutmaßt, dass den durchschnittlich 60-jährigen Leser der Tod von Michael Jackson interessiert oder das Metal-Konzert in der städtischen Mehrzweckhalle. Wäre hier nicht eine thematische Trennung zwischen Print und Online vonnöten: Print als Angebot für den Leser ab 40 Leser und Jugendthemen generell ins Online-Angebot packen?
Im Jahr 2009 ist das Anzeigenaufkommen der Zeitungen um 15 Prozent gesunken. Für 2010 hofft der Bund Deutscher Zeitungsverleger auf eine Stablisierung auf niedrigem Niveau. Im Klartext: schlimmer geht es nicht. Da bei vielen Zeitungen ein geringeres Anzeigenvolumen weniger Seiten bedeutet, werden die Zeitungen dünner. Für den Leser ärgerlich, schließlich bekommt er weniger Zeitung für dasselbe Geld. Ein Auweg aus dem Dilemma: mehr Texte im Online-Angebot präsentieren. Denn schließlich sind Redakteure Textprodukteure - und ob sie für Print oder Online schreiben, sollte ihnen letztlich schnurz sein.
Das Internet-Manifest als theoretische Charta muss erst noch mit Leben erfüllt werden. Na dann: Es gibt viel zu tun.

Die Medien ... haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln - das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.



Das Internet verändert verbessert den Journalismus.
Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.


Qualität bleibt die wichtigste Qualität.
Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.


Ist das denn so schwer begreifbar, verdammt noch mal?

Samstag, 19. Dezember 2009

Gratulieren in der Facebook-Ära

Inzwischen verfügt man ja über eine breite Palette an Optionen, um einem Freund, Bekannten oder Verwandten zum Geburtstag zu gratulieren. Altmodisch gedacht, könnte man ihm oder ihr beispielsweise die Hand schütteln oder ihn oder sie umarmen und dazu Face-to-face einen herzlichen Glückwunsch artikulieren. Würde der Freund 200 Kilometer entfernt wohnen, hätte man die Option, ihm zwei Tage vorher eine Karte zu kaufen und diese per Post zu schicken, vielleicht auch ein Geschenk einzupacken. Bei spontanen Menschen tut es der Telefonanruf.
Mittlerweile ist die Facebook-Gratulation längst ein elementarer Bestandteil des Glückwunschinventars. Hat ein Facebook-Nutzer Geburtstag, dann können auf seinem Profil etliche Glückwunsche eintrudeln. Die Anzahl der Glückwünsche variiert natürlich erheblich. Einer bekommt vier, der andere 30. Besonders viele Geburtstagsgrüße auf einer Facebook-Seite signalisieren demnach entweder die Beliebtheit der betreffenden Person oder die Faulheit der Gratulanten, die den Griff zum Telefonhörer scheuen. Ein Mysterium, das ich gern lösen würde...

Freitag, 11. Dezember 2009

Attraktive Schauen republikweit



Foto: Amazon.
Jürgen Teller ist der einzige mir bekannte popkulturell international relevante Fotograf, den Franken je hervorbrachte. Wer das widerlegen kann, soll sich bei mir melden. Er hat vor ein paar Jahren ein interessantes Buch mit einem schicken Cover herausgebracht und stellt noch bis nächstes Jahr in der Kunsthalle Nürnberg aus. Die Schau werde ich mir mit Sicherheit anschauen. "Dark Splendor" ist leider ein bisschen weit weg.

- Jürgen Teller // Logisch // Kunsthalle Nürnberg // bis 14.02.2010
- David Lynch // Dark Splendor // Max Ernst Museum Brühl // bis 21.03.2010
- F. C. Gundlach // Das fotografische Werk // Gropius-Bau Berlin // bis 14.03.2010

Der Autor und sein Verleger

Ein Auszug aus dem am 7. Dezember auf 869 pompösen Seiten erschienen Buchs, das den Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und seinem Verleger Siegfried Unseld dokumentiert. Eine brillant formulierter Schmähbrief von entzückender Dreistigkeit, wenn man so will die Zeilen eines beleidigten Kindes:

Lieber Doktor Unseld,
wenn ich bedenke, mit was für einem gigantischen Werbeaufwand Sie sich über drei Monate lang für Herrn Walsers Buch [»Brandung«] ins Zeug legen, während Sie für meine »Alten Meister« fast nichts getan haben, obwohl Sie wissen, dass heute Werbung beinahe alles ist, könnte mir die Lust an einer Zusammenarbeit mit dem Verlag schon vergehen. Aber ich schreibe ja für mich und nicht für den Verleger und um Geld geht es ja wirklich nicht...

Ihr
Thomas Bernhard


Quelle: Zeit Online

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Roy Orbison reloaded

Zu den vielen Verdiensten von David Lynch außer Twin Peaks, Mulholland Drive und Blue Velvet gehört ja auch, dass er mir Roy Orbison näherbrachte, den ich sonst immer für einen dicken Mann mit Brille gehalten hätte, der das furchtbare "Pretty Woman" zur gleichnamigen Schmonzette, dem Tiefpunkt der neunziger Jahre, gesungen hat. Eines der besten Lieder Orbisons hat Lynch in diese Szene von Blue Velvet gepackt. Und mit der spanischen Version von Crying, dem zweitbesten Orbison-Song, hat er dann Mulholland Drive unterlegt.

Montag, 30. November 2009

Listomania Teil 2

Das Listen-Ding hat ja bekanntermaßen verschiedene Epochen durchschritten. Bei Nick Hornbys "High fidelity" war es ein Nerd-Hobby, um die eigene Meinungsstärke zu demonstrieren. Irgendwann kam RTL und zerrte die Listomania mit Shows wie "Die zehn besten TV-Vollidioten" in den Prolo-Mainstream. Trotz allem schätze ich die Ordnungsfunktion von Listen. Justament fiel mir die Zeitschrift Sounds des Rolling Stone in die Hände, in der 250 Meisterwerk aus fünf Jahrzehnten aufgetafelt werden.
Hier das Resultat für die Nuller Jahre:
1. The Strokes: Is this it
2. Antony and the Johnsons: I am a bird now
3. Arcade Fire: Funeral
4. The white stripes: Elephant
5. Franz Ferdinand: Franz Ferdinand
6. Coldplay: A rush of blood to the head
7. Amy Winehouse: Back to black
8. Wilco: Yankee Foxtrott Hotel
9. The Streets: A grand to come for free
10. Gorillaz: Gorillaz

Mein Kommentar dazu: Platz eins geht absolut in Ordnung. Die Plätze 2 bis 3 dagegen gar nicht. Völlig unverständlich ist mir auch, wie man Gorillaz erwähnen, blurs um Längen besseres Album Think tank dagegen ignorieren kann. Auf Platz 4 gehören statt den White Stripes die Libertines, die es lediglich auf Platz 11 geschafft haben.

Sonntag, 22. November 2009

Lisztomania Teil 1 - Konzert im Berliner Huxley's

An manchen Abenden bin ich die Inkarnation einer Anti-Konzertgängerin. Das Gedränge ist mir zu dicht, die Schlange an Garderobe und Bierstand zu lang, die Luft zu stickig, die Zwischenräume zwischen den Menschen zu eng. Und der Gipfel aller Übel: Die Live-Musik klingt wie eine verwaschen-dröhnende Version der Platte. Ich erinnere mich leidvoll an die neunziger Jahre, als oasis in der Münchner Olympiahalle einen dröhnenden Gitarrenmatsch über dem Publikum ausgossen, der jegliche Melodik der Platte entbehrte. Ich wünschte mich sehnlichst in mein Wohnzimmer an den Platten- oder CD-Spieler.
An anderen Abend verwandle ich mich in eine elektrisierte Konzertgängerin, überzeugt, genau in dieser Sekunde am richtigen Ort auf der Erde zu sein und eines der brillantesten Konzerte des Jahres zu erleben. So wie am Samstagabend im Berliner Huxleys, als die ersten Takte von „Lisztomania“ erklangen: eine Nacht mit french pop music von Phoenix für die Ewigkeit.
Phoenix werden eines Tages als Ikonen des Indie-Pops der Nuller Jahre in die Musikwissenschaft eingehen. Die französischen Indie-Darlings aus Versailles schaffen einen unvergleichlich glasklaren Sound und zelebrieren ihre Live-Gigs meisterhaft, was sie bereits im Mai diesen Jahres im Berliner Berghain bewiesen. Keine Star-Attitüde, keine großen Gesten – nur 80 Minuten Konzert, umrahmt vom besten Song "Lisztomania" bis zum zweitbesten Song "1901" des letzten Albums "Wolfgang Amadeus Phoenix". Dazwischen: eine Akustik-Gitarren-Version von "Everything is everything", "Rome", "Fences", "Too young", "If I ever feel better", "Long distance call", "Rally" - mon dieu, merveilleux! Das Publikum hebt förmlich ab. Keine Frage, dass auch ein Geburtstagslied für Thomas Mars auf Wunsch seiner Bandmitglieder gesungen wird. Ach so: im Tour-Blog wird verraten, was der Gute an seinem schönsten Tage des Jahres noch gemacht hat.
Phoenix verehrt man, weil sie einen eigenen französisches Musikkosmos konzipiert haben, der seine Universalität in Nachbarschaft zu Gainsbourg und Daft Punk entfaltet.
Nonchalant post-musikalische Gesten unterstreichen den grundsympathischen Phoenix-Habitus. Beim letzten Lied holt Sänger Thomas Mars mal eben einen Teil des Publikums auf die Bühne. Die Jungs und Mädchen tollen so ausgelassen herum, dass ich vor Begeisterung ebenfalls gleich mittanze. Zum Ausklang erklingt klassische Musik – eine Aurevoir mit Stil.

Montag, 16. November 2009

Christmas is coming closer

Ratzfatz bin ich in Weihnachtsstimmung reingeschlittert. Liegt nur an einem: Der Weihnachts-EP der Pet Shop Boys mit dem schönsten Cover seit "White Christmas", jetzt schon zu pre-ordern. Ich hör schon die Glöckchen läuten, denn ta-ta: es gibt eine neue Version von It doesn't often snow at Christmas und natürlich von All over the world. Na dann: Let it snow.

Donnerstag, 5. November 2009

Histoire du cinéma

„Das Kino nach meiner Vorstellung oder meinem Wunsch
und meinem Unbewussten, das sich jetzt bewusst ausdrücken lässt,
ist die einzige Art und Weise, etwas zu machen, zu erzählen, sich Rechenschaft abzulegen, dass ich als Ich eine Geschichte habe,
aber dass, wenn es kein Kino gäbe, ich nicht wüsste, dass ich eine Geschichte habe“ (Jean-Luc Godard, Histoire(s) du cinéma)

Wenn das Truffaut noch erlebt hätte... gerade habe ich mir ein Werk aus dem Suhrkamp-Verlag gekauft, das wahrscheinlich das reduzierteste Cover seit langem hat, das so schön ist, das man darin versinken möchte. Jean-Luc "Filmgott" Godard erzählt darin die Geschichte oder die Geschichten des Kinos: "Das Kino ist eine Idee des 19. Jahrhunderts, die ein Jahrhundert gebraucht hat, um sich zu verwirklichen und zu verschwinden".

Montag, 2. November 2009

In der Fremde verloren

Auch wenn der Dokumentarfilm bisher eher ein mir fremdes Genre war, so habe ich es in der vergangenen Woche auf dem 52. Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm durchaus schätzen gelernt. Der Film Les arrivants von Claudine Bories et Patrice Chagnard wurde von der Jury als bester internationaler Dokumentarfilm ausgezeichnet und tatsächlich schafft er das kleine Kunststück, eine tiefere philosophische Botschaft aus der Dokumentation des auf den ersten Blick langweiligen Alltags einer Pariser Behörde für Asylsuchende zu destillieren.
Ganz im Sinn des vielzitierten Clash of Cultures sieht man das alltägliche Durcheinander in einer Pariser Behörde, in der Menschen aus Afrika und Asien eintreffen, und die Frustration und Hilflosigkeit der Sozialarbeiterinnen angesichts der Unmöglichkeit, mit den Neuankömmlingen zu kommunizieren, zumindest nicht im Behördensprech, den die Gesetze den Sozialarbeitern aufoktroyieren. Sehr subtil wird die Einsamkeit der Ankommenden in der Metrople Paris in der ihnen fremden Kultur gezeigt. Die hilflosen Dolmetschversuche versanden in Sprachlosigkeit.
Gleichzeitig dokumentiert der Film den Kontrast zwischen Auserwählten und solchen, die man am liebten draußen lassen möchte, zumindest aus Europa. Wer sich nicht überzeugend genug als politisch Verfolgter darstellt, der hat keine Chance, die begehrte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Hier geht es nicht um die Gnade der späten Geburt, sondern um die Geburt am richtigen Ort.

Montag, 26. Oktober 2009

When movies adapt reality it's DOK time


Foto: Dok Leipzig
Dieses Jahr werde ich dem Dokumentarfilmfestival Leipzig, das heute begonnen hat, mehr Aufmerksamkeit als in den Jahren zuvor widmen. Ein Film liegt mir dabei besonders am Herzen.

On the other side of life (2009)
Der Film der beiden Deutschen Stefanie Brockhaus und Andy Wolff ist ein Coming-of-age-Drama. Zwei Jungen, Lucky und Bongani, aus einem Township Kapstadts, ohne Zukunft, ohne Geld, völlig haltlos in einer Welt, die sie ablehnt. Sie schnorren sich durchs Leben, hier ein Mädchen, dort ein Joint. Dann geschieht ein Mord. Ein Diskurs über die Zerrissenheit Afrikas.

Give peace a chance

Samstag, 17. Oktober 2009

Der Menschenvernichter

Skandal, Provokation, Erleuchtung - die Kritik taumelte zwischen Begeisterung und Verachtung angesichts Lars von Triers "Antichrist". Mit dem Titel macht der Regisseur ganz klar, wohin die Reise geht: Hölle, Teufel und Folter - das bekommt der Zuschauer serviert. Dabei legt der Film zunächst eine falsche Fährte. Das Kind eines Paares stürzte aus dem Fenster seines Kinderzimmers in den Tod. Wie im psychologischen Drama werden die Trauerarbeit und die Gespräche des Mannes und der Frau, deren Namenlosigkeit den Abstraktionsgehalt des Filmes unterstreicht, erzählt. Allein das Kind des Paares, das im Epilog den romantischsten Filmtod starb, den man je bei einem Kleinkind gesehen hat, trägt einen Namen: "Nic". Aber schnell wird klar, dass es überhaupt nicht um das Kind, sondern nur um die Paarbeziehung geht.
Sie (Charlotte Gainsbourg) kämpft mit einer scheinbar durch den Tod des Kindes ausgelösten Psychose, er (Willem Dafoe) als erfahrener und rational orientierter, gleichzeitig höchst verständnisvoller Therapeut sucht in der Gesprächs- und Konfrontationstherapie scheinbar Heilung seiner Frau. Die Reise in eine Waldhütte als Reise in das Herz der Finsternis zerschmettert die Handlung mit einem Schlag. Im Wald eskaliert das Zusammensein der beiden, wendet sich von einer zur anderen Sekunde in Brutalität und Gewalt.
Die Fragmentierung des Films manifestiert von Trier anhand der Kapitelstruktur. Prolog und Epilog, unterlegt von der wunderschönen Arie aus Händels Oper "Rinaldo" mit dem passenden Titel "Lass mich beweinen mein grausames Schicksal" sind optisch eine Freude. Dazwischen vermischen sich oberflächlich schöne Szenen mit Akten dumpfer Brutalität - letztere dem Horrorgenre entliehen inklusive Verfolgungsjagd mit gehandicaptem Opfer und Täterin (hier ist es SIE), die das Opfer ohne einen in der Filmhandlung begründeten Auslöser töten will. Ihre Mordlust basiert allein auf einer mittelalterlich begründeten überirdischen Vorstellung des Teuflischen, des Antichristen an sich, der dieser Frau innewohnt.
Was bleibt nach der Rezeption, wenn die Lichter im Kino angehen? Distanz zum Geschehen, zu den Figuren, zur Geschichte. Vielleicht keine emotionale Kälte, aber doch Leere.